Kleine Vorschau auf „List und Liebe“

Endlich ist es soweit. 🙂 Shirleys Band ist korrigiert, testgelesen, hat ein Cover und sogar einen Namen. Den habe ich gestern nach einer Last Minute-Facebook-Umfrage festgelegt. Über manche Dinge sollte man nicht zu lange nachgrübeln.Vielen Dank an alle, die mitgeholfen haben!

Nun ist das E-Book auf Amazon vorbestellbar. Eine große Bekanntmachung gibt es am Ersten, wenn es richtig erscheint. Weil es bis dahin auch keine Leseprobe auf Amazon gibt, poste ich hier mal zwei Kapitel für alle Unentschlossenen. Eins vom Anfang und ein etwas späteres, in dem sämtliche Winter-Geschwister eine gesittete Unterhaltung führen. Oder das, was sie dafür halten.

1. Shirley

Gwendolyn Ophelia Luise von Rieke-Rothaus hielt ein Referat. Leider.
»Na ja, und dann sind sie nach …« Sie sah auf die Notizen in ihren perfekt manikürten Händen. Ihr süßes Gesicht verzog sich, als sie versuchte, die eigene Handschrift zu entziffern. »Dann sind sie nach Teneriffa gesegelt und dann haben sie den Äquator überquert und, äh, dann sind sie in Südamerika angekommen und dann …« Sie zwirbelte eine blonde Strähne zwischen den Fingern. »Na, den Rest könnt ihr euch denken, nicht wahr?«
Gwen lächelte. So strahlend, dass Shirley ein leises Seufzen von rechts vernahm. Luis‘ Seufzen. Der verschlang Gwens schlanke Gestalt mit den Augen. So wie jedes männliche Wesen in der Klasse, aber Luis war ein besonders hoffnungsloser Fall. Seit Gwen ihm im letzten Jahr die Ehre gewährt hatte, zwei Wochen lang ihr Freund zu sein, schmachtete er sie an. Shirley fragte sich ernsthaft, warum. Seit der Sache mit Luis hatte Gwen mindestens vier ebenso kurzfristige Beziehungen gehabt. Außerdem hatte sie dreimal die Sportart gewechselt, sieben neue Frisuren ausprobiert und zwei Fremdsprachen angefangen.
Kurzzeitig war sie in Shirleys Spanischkurs gewesen, bis sie die Lehrerin überredet hatte, dass sie zu Japanisch wechseln durfte. Gwen kam mit so etwas durch. Ein unschuldiger Augenaufschlag, ein Lächeln, das ihre Grübchen zum Vorschein brachte und alle taten, was sie wollte. Sie meinte es ja nicht böse. Sie war einfach jemand, der schnell das Interesse verlor.
Das Referat hatte übrigens spannend begonnen. Gwen hatte voll Leidenschaft von Magellans Kindheit erzählt, davon, wie er in einer verarmten Adelsfamilie aufgewachsen war, wie früh seine Eltern gestorben waren und wie er sich trotz aller Widrigkeiten hochgekämpft hatte. Aber schon, als er den ersten Kapitänsposten erreicht hatte, war ihre Stimme monotoner geworden und sie hatte immer öfter in ihre Notizen schauen müssen. Die nun anscheinend zu Ende waren.
»Das war’s.« Gwen lächelte. Warmes Herbstlicht fiel durch die Fenster auf ihre goldenen Haare und ihre graublaue Schuluniform. Sie sah aus, als wäre sie einem Werbeprospekt entstiegen. Es war ein bezauberndes Bild, wie sie vor der Tafel stand, in dem hellen Raum mit den stuckverzierten Decken, strahlend schön und aufgeweckt. Kurz: die ideale Schülerin. Ihre Frisur saß perfekt, ihre Haltung war elegant und sie erzählte völligen Schwachsinn. »Der Ferdinand hat die Welt umsegelt und, äh, alles wurde gut und er lebte glücklich bis an sein Lebensende.«
Herr Wuller sah Gwen ungläubig an. Selbst der langwimprigste Augenaufschlag würde sie jetzt nicht mehr retten.
»Bis an sein Lebensende?«, fragte Wuller. Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
Gwen nickte und machte Häschenaugen.
Shirley überlegte, ob sie Gwen irgendein Zeichen geben konnte. Ihr irgendwie verständlich machen konnte, dass ihre Version der Realität nicht ganz mit der in den Geschichtsbüchern übereinstimmte. Aber sie tat es nicht. Nicht nur, weil Gwen darauf bestand, Magellan »den Ferdinand« zu nennen. Shirley war immer noch sauer auf sie. Dieses Püppchen hatte ihr die erste Drei in ihrer gesamten Schullaufbahn eingebrockt. Also verschränkte Shirley die Arme, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, und beobachtete, wie Gwen vorne an der Tafel ins Schwitzen geriet.
»Wurde wirklich alles gut für Magellan?«, bohrte Wuller weiter und ließ die Fingernägel über sein Pult tanzen.
Gwen überlegte fieberhaft. Nachdenklichkeit stand ihr gut, so wie eigentlich alles. Leise Panik huschte über ihr Engelsgesicht.
»Nein, also, er …« Sie sah in die Klasse, auf der Suche nach Rettung. Es gab keine. »Natürlich war er nicht immer glücklich. Er, äh, also seine Ehe ist in die Brüche gegangen, weil er so viel unterwegs war?« Sie sah Wuller fragend an.
Der verdrehte die Augen. »Nein.«
»Er war immer sehr traurig, weil er eine Glatze hatte? Ich meine, der Hut kaschiert das ganz gut, aber …«
»Nein.«
»Die anderen Matrosen haben ihn geärgert, weil er Ferdinand hieß? Ich weiß auch nicht, was seine Eltern sich dabei gedacht haben …« Ihre Stimme verklang.
»Nein.« Herr Wuller seufzte. »Kann jemand Frau von Rieke-Rothaus erklären, warum Magellans Weltumseglung kein Happy End hatte?«
Shirley hasste sich ein wenig, weil sie als Einzige die Hand hob.
Abiturnote 1,0, sagte sie sich. Abiturnote 1,0. Keine Rücksicht.
»Frau Winter?« Wuller nickte ihr zu.
»Er starb, bevor sie endete«, sagte sie. »Im April 1521 wurde er bei einem Kampf mit den Einheimischen von Mactan getötet. Er bekam eine Lanze ins Gesicht und eine unter den rechten Arm und war vorher schon von einem vergifteten Pfeil durchbohrt worden.« Die blutigen Details waren ihr die liebsten. »Die Weltumseglung wurde zwar abgeschlossen, aber ohne ihn. Von 237 Mann und fünf Schiffen, die gestartet waren, kamen nur 18 Mann und ein Schiff zurück.«
»Genau«, sagte Wuller.
»Oh nein«, sagte Gwen. »Der arme Ferdi.«
Wuller schaute sie an, als hätte sie gefurzt. Eigentlich ganz nett von Gwen, dass sie Mitleid mit einem Kerl hatte, der vor über 500 Jahren verstorben war.
»Frau von Rieke-Rothaus, wie weit haben Sie das Buch, das sie vorstellen sollten, gelesen?«, fragte er. Seine Stimme schnitt durch die Luft wie ein Rasiermesser. »Anscheinend nicht bis zum Ende, oder?«
»Nein.« Gwen sah zu Boden. »Tut mir leid. Der Anfang war super, aber dann … Also, es wird schon etwas öde und … Dann habe ich angefangen, Hockey zu spielen und meine ganze Zeit ist für das Training draufgegangen.« Sie hüstelte.
Wullers Miene wurde immer finsterer. Unangenehmes Schweigen hing im Raum, drückend wie ein heranziehendes Gewitter.
»Frau von Rieke-Rothaus, wenn Sie in der zwölften Klasse«, er wurde lauter, »noch nicht in der Lage sind, ein Buch zu beenden, für dessen Lektüre Sie DREI WOCHEN ZEIT HATTEN …«
»Genau genommen hatte Magellans Geschichte ein Happy End«, platzte Shirley heraus. Irgendjemand musste etwas tun, sonst würde der Rest der Stunde daraus bestehen, dass Wuller Gwen anbrüllte. Und da sich mal wieder keine der reichen Gören dazu herabließ … »Ich meine, seine Expedition hat als erste die Welt umsegelt, auch wenn nicht alle Teilnehmer lebend ankamen. Sie haben endgültig die Kugelform der Erde bewiesen, die bis dahin immer noch angezweifelt wurde und deshalb hat sein Name die Jahrhunderte überdauert und … das ist doch was. Außerdem wurde die Magellanstraße nach ihm benannt, er ist also quasi unsterblich geworden, auch wenn er, na ja, gestorben ist.«
Sie versuchte, überzeugend zu schauen. Wullers Gewittermiene glättete sich. Ein wenig. Ein ungläubiges Schnauben entkam seinen Nasenlöchern.
»Das könnte man so sehen«, brummte er. »Wenn man die Geschichte sehr großzügig auslegt. Fakt ist aber, dass Frau von Rieke-Rothaus erneut die ihr gestellte Aufgabe nicht erfüllt hat.«
»Der Anfang war korrekt.« Shirley, du solltest einfach die Klappe halten, dachte sie. Einfach die Klappe halten. Aber darin waren die Mitglieder ihrer Familie nie besonders gut gewesen. »Dafür sollte sie ein paar Punkte bekommen, oder?«
Wuller sah sie an, als wäre sie vollkommen bekloppt.
»Die Punkte vergebe ich, Frau Winter«, knurrte er. Das war es wohl mit Shirleys Lieblingsschüler-Status gewesen. »Von Rieke-Rothaus, Sie bekommen sieben Punkte, weil ich ein gnädiger Lehrer bin. Setzen Sie sich.«
Gwen duckte sich und huschte an ihren Platz zurück. Leise seufzend ließ sie sich neben Shirley nieder.
»Danke«, flüsterte sie. »Ich hab gedacht, gleich reißt er mir den Kopf ab.«
Ihr Atem kitzelte Shirleys Ohr und der dezente Duft ihres Parfüms zog herüber. Vanille und Sandelholz. Shirley sah stur nach vorne.
»Bitte«, flüsterte sie.
»Weißt du«, wisperte Gwen in ihr Ohr, »ich wollte echt weiterlesen, aber mir sind immer die Augen zugefallen und irgendwie habe ich es total vergessen, bis gestern Abend …«
»Von Rieke-Rothaus! Folgen Sie dem Unterricht?«, brüllte Wuller.
»Nei… äh, ja. Natürlich.« Gwen richtete sich auf und versuchte, aufmerksam zu schauen. Sie wirkte wie ein Kindergartenkind, das so tat, als wäre es schon eine richtige Schülerin. Shirley schüttelte innerlich den Kopf.

***

Sobald der Geschichtsunterricht vorbei war, strahlte Gwen wieder.
»Danke nochmal!« Sie haute Shirley erstaunlich kräftig auf die Schulter. »Das war so supernett von dir!« Anscheinend hatte sie schon vergessen, dass Shirley ihr ganzes Streberwissen über Magellan ausgebreitet und sie bloßgestellt hatte. Noch mehr, als Gwen sich selbst bloßgestellt hatte.
Shirley brummte irgendetwas Undeutliches.
»Reiten wir mal wieder aus, Shirley?«, fragte sie. »Das haben wir schon so lange nicht mehr. Hast du heute Nachmittag Zeit?«
»Nein, ich muss lernen«, sagte Shirley. Das stimmte ja auch.
Ein Schatten flog über Gwens Gesicht. »Oh. Okay. Also, vielen Dank für die Rettung. Bis später!« Schon lächelte sie wieder. Sie schnappte sich ihre Burberry-Tasche, hüpfte zu den anderen Klassenprinzessinnen hinüber und schnatterte mit denen, bis sie gemeinsam aus der Tür verschwunden waren.
Dom tauchte neben Shirleys Pult auf.
»Lernt sie überhaupt mal?«, fragte er. Zweifelnd sah er der Mädelstruppe mit den hochglanzpolierten Haaren nach. »Ihr Referat über Effi Briest lief genauso.«
»Glaub kaum. Ich verstehe immer noch nicht, wie sie es bis in die Zwölfte geschafft hat, ohne sitzenzubleiben.«
»Charme, gutes Aussehen und reiche Eltern.« Dom lächelte. »So wie du.«
Shirley schnaubte. Witzig. Sie besaß exakt nichts davon. Das Einzige, was sie hatte, war ihr Gehirn, und das trainierte sie gerade wie ein Bodybuilder seinen Bizeps.
»Lernen wir heute?«, fragte sie und wie immer nickte Dom.
Als sie gemeinsam durch den Flur gingen, bemerkte Shirley, dass eine entgegenkommende Gruppe Mädchen ihnen böse Blicke zuwarf. Nein, nicht ihnen. Ihr. Dom schauten die Mädchen an, als hätte er eine Schokoglasur mit Zuckerherzen. Wie üblich. Und wie üblich duckte er sich unangenehm berührt, bis sie an denen vorbeigegangen waren.
»Hab ich was im Gesicht?«, murmelte er unbehaglich. »Nein, oder?«
»Doch, hast du«, sagte Shirley. Sie hob ihre Stimme zu einem verzückten Quietschen. »Strahlende Schönheit. Freu dich doch. Andere Jungs würden Werweißwas dafür geben, so angesehen zu werden.«
»Hmja, toll.« Dom sah zu Boden. Der arme Kerl. Er konnte ja nichts dafür, wie er aussah. Wie einer von diesen Boygroup-Boys, mit weichen, welligen Haaren, seelenvollen dunklen Augen und einem Gesicht, das vollkommen symmetrisch war. Symmetrie war Schönheit, das hatte Shirley gelesen. Der perfekte Abstand zwischen Augen, Nase, Mund und Kinn, sowie deren Größe im Verhältnis zum Rest. Wieder ein Beweis, dass man alles berechnen konnte.
»Ist ja nicht deine Schuld, dass du hübsch und reich bist.« Shirley versuchte, nicht zu lächeln. »Du armes Häschen.«
»Klappe.« Er grinste. »Und ich bin überhaupt nicht reich.«
»Ne, aber dein Vater ist der drittreichste Mann von Ebernau.«
»Der viertreichste. Und Ebernau ist nicht sehr groß.«
»Immerhin groß genug, dass sich diese Bonzenschule hier lohnt.«
Er hob gespielt vornehm eine Augenbraue. »Diese exklusive Privatschule, meinst du.«
»Bonzenschule für nichtsnutzige Gören.«
»Was verstehst du denn davon, du Stipendiatin?« Er zog an ihrem Pferdeschwanz. Ein braunhaariges Mädel, das an der dunklen Wandtäfelung lehnte, warf Shirley den vernichtendsten Blick zu, den sie heute empfangen hatte.
»Kann nicht verstehen, was er an ihr findet«, hörte Shirley sie zischen. Das verstand niemand. Nicht mal sie selbst war sich ganz sicher, warum Dom ausgerechnet mit ihr befreundet war.
Sie hatte nicht damit gerechnet, überhaupt Freunde zu finden, als sie auf die Wilhelmine-von-Grävenitz-Privatschule gewechselt war. An ihrer alten Schule hatte sie es genau zu einem Freund gebracht: ihrem Zwillingsbruder. Alle anderen hatten sie eine biestige Streberin genannt, allerdings nur hinter ihrem Rücken. Wenn man wie Shirley drei Brüder hatte, lernte man, auszuteilen.
Aber Dom war immer wieder bei ihr angekommen und hatte versucht, mit ihr zu reden. So lange, bis sie beschlossen hatte, dass er vertrauenswürdig war. Und das, obwohl er unter all den verwöhnten Söhnchen hier eins der reichsten war. Seinem Vater gehörte eine Restaurantkette, die Filialen in fast allen Städten der Umgebung hatte. Er war in einem gigantischen Anwesen aufgewachsen und von den besten Kindermädchen aufgezogen worden. Shirley betrachtete seine schwarzen Schuhe. Feinstes italienisches Leder. Vermutlich. Was verstand sie davon? Genau: nichts.
Doch auf seine Art hatte Dom genau so viele Probleme wie sie. Die Mädchen mochten ihn, obwohl er nicht auf Mädchen stand und die Jungs waren sauer, weil die Mädchen hinter ihm her waren. Wenn die wüssten … Seit Valentin bei Luzia abgeblitzt war, weil die auf Dom stand, hatte der das halbe Hockeyteam als Feind. Und dann war Dom in einer Umfrage auch noch zum schönsten Jungen der Schule gewählt worden. Mit Abstand.
»Ich sag’s ihnen«, flüsterte er, als hätte er ihre Gedanken gehört. Sie musste nicht mal fragen, was, so oft hatten sie das Gespräch schon geführt. »Bald. Ich … ich muss mich nur erst mental vorbereiten. Ich will nicht, dass sie dich weiter so behandeln.«
»Mir ist egal, wie die mich behandeln.« Shirley grunzte undamenhaft. »Ich glaub kaum, dass die netter zu mir werden, wenn rauskommt, dass wir wirklich nur Freunde sind. Ich meine, wir sagen ihnen ja, dass da nichts zwischen uns läuft und sie glauben es nicht. Warum soll sich das ändern«, sie senkte die Stimme, »sobald du dich outest?«
Er schenkte ihr einen dankbaren Blick. Und stolperte. Einer der Hockeyspieler, die ihnen entgegenkamen, hatte ihn geschubst. Marten van Meddel. Sein Gesicht war zu einem höhnischen Grinsen verzogen.
»Weichei«, hörten sie im Vorbeigehen. »Schönling.«
Shirley wirbelte herum, aber Dom packte ihren Arm.
»Nicht«, warnte er. »Lass ihn reden, was er will. Mir ist nichts passiert und das ist er nicht wert.«
»Überhaupt nichts ist der wert«, knurrte Shirley. »Und er braucht ’ne Abreibung, sonst denkt er, er kommt immer mit dem Scheiß durch.«
»Eine Abreibung? So eine wie Daniele letztes Mal?« Dom zog sie mit sanfter Gewalt weiter. Marten und seine dämlichen Freunde, die ihm lachend auf die Schultern hauten, verschwanden um die nächste Ecke. »Ich will nicht, dass du schon wieder suspendiert wirst, Shirl.«
»War doch nur eine Woche«, sagte sie, obwohl er eigentlich recht hatte. Sie durfte ihr Abi nicht nochmal gefährden.
»Eine Woche und eine dreißigseitige Strafarbeit.«
»Über die Verbreitung der Pest auf der Seidenstraße. Das hat sogar Spaß gemacht. Genau wie Daniele das Buch auf die Nase zu hauen.«
»Das Buch? Das war die Herr-der-Ringe-Gesamtausgabe.« Dom schüttelte den Kopf. »Der kann froh sein, dass er noch ein Gesicht hat. Und alles nur, weil er mir ein Bein gestellt hat.«
»Vor der Treppe. Der hätte dir das Genick brechen können.«
»Dafür sind meine Reflexe zu gut«, sagte Dom gleichmütig. »Ich habe keinen Kratzer abgekriegt.«
»Ich versteh dich nicht.« Shirley war nicht ganz klar, ob sie Dom bemitleidete oder bewunderte. Vielleicht beides. »Wenn ich du wäre, würde ich jedem, der so einen Scheiß labert, die Nase brechen. Du machst doch Taekwondo, warum wendest du das nicht an?«
»Das wäre nicht sehr nett.«
»Nervensägen wie Daniele und Marten sind nicht nett. Ich bin nicht nett. Und du solltest auch nicht nett sein.«
»Eben hast du Gwen geholfen. Das war ziemlich nett, würde ich sagen.« Dom öffnete die Tür des Musikzimmers und sah sie an. Seltsamer Blick. Als wüsste er etwas, das sie nicht wüsste. So ein Blödsinn.
»Gar nicht«, motzte sie. »Ich wollte nur nicht, dass Wuller sie bis zum Gong anschreit. Das würde das Püppchen nicht verkraften.«
»Ach, das Püppchen ist ein Stehaufmännchen.« Dom warf sich auf seinen Platz und Shirley setzte sich neben ihn. »Und sie mag dich. Warum freundest du dich nicht mit ihr an? Dann hättest du es hier bestimmt leichter.«
»Nach unserem Referat? Niemals.« Shirley schleuderte ihren Collegeblock auf das Pult und lehnte sich in ihrem ergonomischen Stuhl zurück. Wie jeder Stuhl in der Wilhelmine-von-Grävenitz-Schule schmiegte er sich an ihren Hintern, als wäre er nur für ihn geschnitzt worden. »Wegen ihr habe ich eine Drei bekommen. Ich habe noch nie eine Drei bekommen.«
Dom schwieg. Eh besser, der Musiklehrer betrat gerade das Klassenzimmer. Trotz des trüben Wetters draußen war der Raum warm und gemütlich. Mit den hohen Fenstern und den weißen Vorhängen sah er eher wie ein Vortragssaal als wie ein Klassenraum aus. Die Luft roch nach altem Holz und Parkettpolitur.
Diese Drei würde sie Gwen nie verzeihen. Wenn die gelernt hätte … Wenn die ihren Teil erledigt hätte, hätte Frau Iretzka ihnen nicht diese beschissene Gemeinschaftsnote gegeben.
Mit neu entfachter Wut schaute Shirley zu Gwen hinüber, die gerade mit ihrer Freundin Emily redete und gleichzeitig kleine Zöpfchen in ihre Haare flocht. Der Musiklehrer ermahnte sie, zuzuhören. Gwen schaffte es, drei Minuten lang stillzusitzen, dann begann sie, auf ihrem Collegeblock herumzukritzeln. Shirley erkannte Herzchen und Blumen, die aussahen, als hätte ein Kindergartenkind sie gezeichnet. Ein verträumter Ausdruck war auf Gwens Gesicht erschienen.
Konzentrier dich, du Püppchen, dachte Shirley. Wir sind nicht zum Spaß hier.

Kapitel 17

»Hier, für euch.« Marc grinste breit und stellte je einen Becher Glühwein vor Shirley und Josh.
»Aber für jeden nur einen«, sagte Nils streng und setzte sich gegenüber. Marc warf sich so schwungvoll neben ihn, dass sein Tonbecher fast überschwappte.
Josh sah mit leuchtenden Augen auf seinen Glühwein. Weißer Dampf kringelte sich hoch, scharf und würzig duftend. Nelke und Zimt und Alkohol. Ziemlich viel Alkohol, wenn Shirley das mit ihrer begrenzten Erfahrung richtig einschätzen konnte.
»Ist das mit Schuss?«, fragte sie misstrauisch. Marcs Grinsen wurde noch breiter.
»Jupp. Nur das Beste für meine kleinen Geschwister.«
»Danke.« Josh strahlte.
»Bitte«, sagte Marc. »Ist dafür, dass ihr uns die Plätze freigehalten habt.«
»Wir sind minderjährig und sollten keinen harten Alkohol bekommen«, murrte Shirley. Nils brummte etwas Zustimmendes.
»Ach, das verfliegt eh bei der Hitze.« Josh setzte den Becher an den Mund und trank ihn in einem Zug halb leer. »Lecker!«
»Auf uns!« Marc hob seinen Becher. »Die beste Familie von Ebernau!«
»Auf uns!«
Die Becher klangen dumpf, als sie aneinanderstießen. Das Geräusch war so leise, dass man es kaum hörte. Dabei hatte die Band gerade Pause. Auf der mit Lichterketten geschmückten Bühne fanden die Umbauarbeiten statt. Doch auf den restlichen Festbänken saßen dichtgedrängt Leute, die halb in ihren Winterklamotten verschwanden und sich so laut unterhielten, dass ein beständiger Geräuschteppich entstand. Irgendwie beruhigend.
Shirley nestelte an ihren Ärmeln herum, damit die eisige Luft nicht mehr in den Spalt zwischen Jacke und Handschuh dringen konnte. Der Himmel über ihnen war schwarz. Die Stände waren so üppig mit bunten Lichtern geschmückt, dass man keine Sterne erkennen konnte.
So friedlich wie selten saßen die Winter-Geschwister unter den anderen Gästen und nippten an ihren Bechern.
»Wann fängt die Energizonic-Tour an?«, fragte Nils Marc.
»Am fünfzehnten. Das Hotel ist schon gebucht.« Er schüttelte den Kopf. »Flo hat sogar irgendein Restaurant gefunden, das wir unbedingt auskundschaften müssen.«
»Du meinst leerfressen«, sagte Nils.
»Das ist mein Plan.« Marc nahm einen Schluck Glühwein. »Flo ist auf der Suche nach neuen Gerichten für Maries Restaurant.«
Josh kicherte. Seine Wangen waren bereits gerötet und sein Tonbecher leer.
»Was hast du, Zwerg?« Marc hob eine Augenbraue.
»Du sprichst ihn so lustig aus.« Josh schüttelte den Kopf. Er machte seine Stimme weich wie Zuckerwatte. »Flooooo …«
Shirley prustete los. Ups. Wieso fühlte ihr Kopf sich so leicht an?
»Flooo …«
»Klappe, du Zwerg. Ich kann über meinen Freund reden, wie ich will.«
»Flooo«, säuselte Shirley, im Chor mit Josh. Dann schüttelte sie den Kopf. »Sei nicht so gemein zu Marc. Er ist halt verliiiebt.«
»Saupeinlich verliebt. In Flooo.« Josh kicherte und Shirley konnte nicht anders als mitzumachen.
»Was zur Hölle hast du in den Glühwein gemixt?«, fragte Nils Marc.
»Nur Korn.« Marc wirkte verstimmt. »Wusste ja nicht, dass die beiden Jungfrauen gleich anfangen zu nerven. Kriegt erst mal selbst wen ab, bevor ihr euch über andere Leute lustig macht.«
Josh verzog das Gesicht. Er hasste es, wenn Marc ihn so nannte. Vor allem, weil es stimmte. »Ich arbeite daran«, brummte er. »Und Shirley auch.«
Was? Shirley packte ihren Becher fester.
»Was?!« Ihre großen Brüder sprachen so gleichzeitig, wie sonst nur sie und Josh. Ups. Plötzlich durchbohrten zwei Paar hellgrüne Augen sie von der anderen Seite des Tisches aus.
»Gar nicht«, behauptete sie und versuchte, sich hinter dem Glühweinbecher zu verstecken. Dieser dämliche Josh! »Da ist niemand.«
»Niemand. Absolut niemand.« Josh nickte hastig. Schuldbewusstsein erfüllte sein Gesicht. Mist, der war der schlechteste Lügner, den sie kannte. Noch grottiger als sie und Dom.
»Shirley.« Nils nahm ihr den Becher aus der Hand. Toll, nun hatte sie nicht mal mehr was zum Festhalten. »Gibt es da jemanden?«
»Neinnein. Gib mir den Wein zurück.« Sie angelte danach, aber er hielt ihn über ihren Kopf. Keine Chance. Nils‘ Arme waren einfach zu lang. »Mann, Nils, seh ich aus, als wäre ich hinter irgendwem her? Dafür kennst du mich doch zu lange, oder?«
»Sie war in letzter Zeit anders. Noch seltsamer als sonst.« Marc kratzte sich am Kinn. Sie saßen ihr gegenüber wie zwei Polizisten beim Verhör. Zwei blonde Riesen.
Guter Cop, böser Cop, dachte sie und unterdrückte ein Kichern. Nur dass beide böse aussahen. Normalerweise war Nils der Verständnisvolle.
»Raus mit der Sprache«, verlangte Nils. »Wer ist es?«
»Niemand.« Shirley verschränkte die Arme, was in der dicken Winterjacke gar nicht so leicht war. »Da ist keiner.«
»Ich wette, es ist Dom«, sagte Marc nachdenklich. »Den sollten wir uns mal vornehmen.«
»Sollt ihr nicht«, fauchte sie.
»Doch, ich glaube, das ist eine gute Idee.« Nils reichte ihr den Becher zurück und machte Anstalten, aufzustehen. »Ich hab ihn vorhin bei der Schießbude gesehen.«
»Ihr bleibt sitzen!« Shirleys Stimme schallte über den ganzen Platz. Oh. Gespräche verstummten. Immerhin blieben Marc und Nils, wo sie waren. »Bleibt sitzen«, wiederholte sie leiser. »Wenn ihr Dom auch nur ansprecht, rede ich nie wieder ein Wort mit euch, ist das klar? Nie wieder.«
»So wichtig ist dir der Schönling?« Marc rümpfte die Nase. »Der ist doch nichts für dich. Wenn der dir das Herz bricht …«
Statt weiterzureden, ließ er die Knöchel knacken. Nils schaute, als stellte er sich gerade vor, Doms Genick zu brechen wie einen trockenen Zweig.
»Der bricht mir nicht das Herz«, zischte sie. »Und jetzt hört auf, euch wie Dorftrottel zu benehmen. Das ist meine Sache und … Warum regt ihr euch nicht über Josh auf? Der ist schließlich auch hinter irgendwem her.«
»Das klappt doch eh nicht.« Marc winkte ab.
»Hey!« Josh knallte seinen leeren Becher auf den Tisch.
»Shirley, du bist unsere Schwester.« Nils klang trügerisch sanft. »Wir müssen dich beschützen.«
»Einen Scheiß müsst ihr.« Sie stieß ein Knurren aus. Gut, so langsam wurde sie wütend auf die beiden Trottel. Und auf Josh auch, den Verräter. »Ihr müsst mich nicht anders behandeln als ihn! Das ist total sexistisch!«
»Wir behandeln dich nicht anders, weil du ein Mädchen bist«, sagte Nils. Er versuchte, aufrichtig zu schauen, aber das misslang. »Du bist halt zarter und … äh, schwächer und … sensibler als …«
Marc prustete los. Dieser Depp. Josh kicherte und selbst auf Nils‘ Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
»Ach ja, die arme, sensible Shirley.« Marc klang, als hätte er Schluckauf. »So schüchtern und verletzlich. Ein zartes, zartes Reh …«
»Arschkopf.« Shirley packte ihren Becher und trank ihn mit einem Zug leer. Der Alkohol stieg ihr sofort in den Schädel. »Dass ich bin, wie ich bin, liegt vielleicht daran, dass ich mich immer gegen euch Trottel wehren musste.«
»Stimmt, das war ganz furchtbar.« Marc sah sie übertrieben mitleidig an. »Weißt du noch, wie du mir die heiße Suppe in den Schoß gekippt hast, weil ich dich Brillenschlange genannt habe? Das war bestimmt schrecklich für dich.«
»Ja. War es.« Sie schob die Unterlippe vor.
Josh lächelte selig vor sich hin. »Das war super.« Nils‘ Blick fixierte ihn.
»Josh, trink was.« Er hielt Josh seinen eigenen Becher hin, der immer noch halb gefüllt war. Glücklich griff Josh danach. Bevor Shirley es verhindern konnte, hatte er den Inhalt in sich hineingekippt.
»Ich hol mehr Wein«, sagte Marc.
»Sitzenbleiben«, fauchte Shirley. »Ihr füllt nicht meinen eigenen Bruder ab, damit er euch verrät, mit wem ich rumgeknutscht habe!«
»Rumgeknutscht!« Nils und Marc sahen sie an, als wären sie zwei Klosterschwestern, vor denen sich ein Exhibitionist entblößte. Die Heuchler. »Mit wem hast du rumgeknutscht?«
»Ich bin fast achtzehn, ihr Pfeifen«, knurrte sie. »Ich kann rumknutschen, mit wem ich will.«
»Wir reden mit Dom«, sagte Nils und legte die Hände auf den Tisch.
»Es ist nicht Dom!«, brüllte sie.
»Es ist überhaupt kein Junge«, lallte Josh. Shirley hielt ihm den Mund zu, aber der Schaden war angerichtet. Ihre blöden großen Brüder verharrten.
»Oh, gut«, sagte Marc und atmete aus. »Noch ’ne Runde?«
»Wer ist es denn?« Wieso klang Nils jetzt wieder wie der liebe, verständnisvolle große Bruder, der er sein sollte? Und warum schaute der so erleichtert? »Kennen wir sie? Ist sie von deiner neuen Schule?«
»Nein. Und ich erzähl euch gar nichts.«
»Okay.« Nils zuckte mit den Achseln. »Du kannst darüber reden, wenn du so weit bist.«
»Warum bist du auf einmal so nett?«, fragte sie. »Was ist besser an einem Mädchen als an einem Jungen?«
»Ein Mädchen kann dich nicht schwängern«, sagte Marc. Das war immerhin logisch. »Noch mal Glühwein für alle außer Josh?«
»Hey!« Josh sah ihn strafend an und schwankte. »Ich kann so viel trinken wie ich will.«
»Nicht, wenn ich zahle.« Marc grinste. »Du kriegst ’nen Kinderpunsch.« Und schon war er in der Menge verschwunden.
»Ich geh nachher auf eine Chaletparty.« Josh sah die Tischplatte an, als wäre sie schuld an allem. »Da krieg ich Bier und Glühwein ohne Ende.«
»Aber kotz nicht auf den Küchenboden, wenn du heimkommst«, sagte Nils. »Ich hab genug davon, euch hinterherzuputzen.«
»Müsstest du nicht, wenn du dir endlich eine eigene Wohnung suchen würdest«, murrte Josh. »Wann hab ich mein Zimmer eigentlich wieder für mich? Und wieso wohnst du nicht in Henrys Chalet?«
»Das hat er vermietet und das habe ich dir schon erklärt, Saufnase.« Nils blickte auf seine Hände. Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Er atmete tief ein. »Ich … also ich warte noch mit dem Suchen, bis ich weiß, wie groß meine Wohnung sein muss.«
»Wie groß … Adoptiert ihr etwa ein Kind?«, fragte Shirley.
Schmerz zuckte durch Nils‘ Züge. »Ne, ich … Ach, ist egal.«
»Ist nicht egal.« Sie packte seine Hand. »Ist was passiert? Kommt Henry an Weihnachten?«
»Er sagt, er kommt.« Nils entzog seine Hand nicht. Mit der anderen rieb er sich über die Nasenwurzel. »Ich denke, dann tut er das auch.«
»Du denkst …« Josh legte den Kopf schief und wäre fast von der Bank gefallen. »Warum sollte er nicht kommen?«
»Ich weiß nicht.« Nils kratzte sich mit der freien Hand unter der dicken Wollmütze. »Er ist … Es kam raus, dass sein Onkel ein paar schlechte Anlagen gemacht hat und … Henry meinte, er muss unbedingt vor Ort in München sein und retten, was zu retten ist. Und da ist er jetzt halt. Seit Wochen.«
»Ach, deshalb kommt er nicht mehr her.« Shirley betrachtete Nils‘ besorgtes Gesicht. »Du hast nur gesagt, er hätte noch zu tun.«
»Viel mehr erklärt er mir auch nicht«, sagte Nils. »Nur, dass er zu tun hat und alles kompliziert ist und … dass er ständig abgelenkt ist. Wir reden kaum noch. Weihnachten wird alles besser, meint er. Dann hat er das Schlimmste hoffentlich geschafft.«
»Dann ist ja gut.«
»Er kommt Weihnachten bestimmt her«, sagte Josh. »Er ist doch immer mitgekommen.«
»Ja.« Nils sah auf seine Hände. »Ich weiß nicht, ob ich mir nur blöde Sorgen mache oder ob da echt was ist. Wir haben uns gestritten, bevor er gefahren ist, wegen den blödesten Kleinigkeiten. Keine Ahnung, ob er wirklich nur gestresst ist.«
»Was soll denn sonst sein?«, fragte Shirley.
»Nichts weiter. Er würde ja nicht … Es ist nicht mehr wie früher, seit er in München ist und ich hier. Er fehlt mir.«
»Dann sag ihm das«, sagte Josh. »Oder fahr rüber, so wie früher.«
Nils räusperte sich. »Er arbeitet rund um die Uhr, um das Geld irgendwie wiederzubekommen. Als ich das letzte Mal da war, haben wir uns nur zum Essen gesehen, und dazu musste ich ihn zwingen. Er hat einfach … gar keine Zeit mehr und ist ständig nur genervt und … Ich weiß nicht.«
Shirley und Josh sahen ihn stumm an. Sie waren eindeutig die Falschen für Beziehungsratschläge.
»Ist auch nicht schlimm«, sagte Nils. Eine glasklare Lüge. Der schaute drein, als hätte man ihm einen Arm amputiert. »Das pendelt sich schon wieder ein. Und dann sehen wir weiter. Ob er wieder öfter herkommt oder … nicht.«
»Warum soll er denn nicht wollen?«, fragte Shirley.
»Na, es geht schon viel länger, als Nils dachte«, sagte Josh und sah nachdenklich aus. »Oder? Und wenn Henry sich nicht auf seinen Onkel verlassen kann, wird er dauernd in München sein müssen, um sich um die Geschäfte zu kümmern. Nils macht sich bestimmt Sorgen, dass das für immer so weitergeht.«
»Gar nicht«, brummte Nils. »Es ist bestimmt … bestimmt bald alles wieder in Ordnung.« Mist. Seinem Gesichtsausdruck nach hatte Josh genau ins Schwarze getroffen.
»Dann ruf ihn doch einfach an und frag ihn, ob er …«, begann Josh, aber er wurde unterbrochen.
Ohrenbetäubender Lärm erklang. Oh nein. Zwei abgewrackte Gestalten torkelten auf die Bühne und droschen auf ihre Akkordeons ein.
»Tach zusammen und frohen Weihnachtsmarkt!«, grölte der Blonde. Seine rote Nase leuchtete heller als die der Plastikrentiere links und rechts vom Bühnenrand. »Wir sind Didi und Waldi und zusammen sind wir Die Möbelpacker!«
»Die einzige Band aus Ebernau, die je einen Nummer-Drei-Hit in der Schlagerparade hatte!« Der Dunkelhaarige mit dem grauenvollen Schnauzer drängte seinen Kollegen zur Seite. Es hätte unmöglich sein sollen, aber er war noch besoffener als der Blonde. »Und jetzt kommt unser größter Hit: Coole Kissen!«
Das Akkordeon setzte ein. Jubel ertönte von einigen Tischen, peinliches Schweigen von anderen.
»Wenn ich dich seh, dann denk ich an ein Sofa«, grölte Waldi ins Mikro, »denn deine Kissen sind so wunderschön!«
»Coole Kissen! Coole Kissen!«, setzte Didi punktgenau ein.
Glühwein und Kinderpunsch wurden auf den Tisch geknallt. Marc nahm Platz, das Gesicht angewidert verzogen.
»Wer lässt die denn jedes Jahr raus?«, fragte er, den Blick nicht von Didi lassend, der schunkelnd über die Bühne stolperte.
»Sie sind die größte Band, die Ebernau hat«, sagte Nils und schüttelte den Kopf. Er griff nach dem Glühwein, als wäre er sein Lebensretter. Dabei trank er sonst fast nichts.
»Erbärmlich.« Marc schnaubte. »Trink deinen Punsch, Joshi.«
»Einen Scheiß mach ich.«
Und dann stritten die beiden sich, wie immer.

 

Neu: Horrorhamster (a.k.a. Ebernau 2 a.k.a. Marc)

Früher als geplant habe ich Marc und Flo auf die Welt losgelassen. 🙂 Amazon war diesmal so schnell, dass das E-Book schon eine Stunde später da war. Diesmal funktioniert alles, sogar der Blick ins Buch ist schon da. Ich bin begeistert! 🙂 Und das ist der Klappentext:

Rückkehr nach Ebernau
Marc Winter kommt mit so ziemlich allem klar. Weder seine nervige Familie noch sein peinlicher Nebenjob können ihm den Tag versauen. Denn Marc hat ein Ziel: Er will Profi-Snowboarder werden, und zwar so schnell wie möglich. Am besten sofort, aber mindestens, sobald er den Ebernau-Cup gewonnen hat!
Der Einzige, der ihm den Sieg streitig machen könnte, ist Flo, das reiche Muttersöhnchen, das seit ihrer ersten Begegnung seinen Spott abbekommt. Blöd nur, dass Marc plötzlich unerwartete Gefühle für Flo entwickelt. Noch blöder, dass Flo schon vergeben ist. Und am Allerblödesten, dass Marc beginnt, seine Karriere zu vernachlässigen, weil ihn Flo ablenkt.
Selbst Marc Winter weiß bald nicht mehr, was er tun soll. Und wie sieht es überhaupt mit Flos Gefühlen aus?

Enthält Hamster. Nein, wirklich. Außerdem dümmliche Spitznamen, alte Feindschaften und Homoerotik.

 

Und hier sind die ersten Kapitel:

1. Prolog

»Was willst du denn hier?«, war das Erste, was Marc Winter je zu ihm sagte. Flo wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Ich, also …«, begann er und hatte keine Ahnung, wie er weitermachen sollte. »Kennen wir uns?«
Hellgrüne Augen durchbohrten ihn. Selbst mit dreizehn sah dieser blonde Typ schon so arrogant aus wie ein uralter englischer Lord. Alle normalen Dreizehnjährigen waren wie Flo: unsicher, ungelenk und verpickelt. Na ja, vielleicht nicht ganz so unsicher wie Flo. Er war, wie stets, ein besonders erbärmliches Exemplar der Spezies »Junge«.
»Ich weiß, wer du bist«, sagte der Blonde und schnaubte verächtlich. »Du Schwächling. Du bist ihr Sohn.«
»I-ihr …« Flo verstummte. Jeder in Ebernau wusste, wer seine Mutter war, aber normalerweise bekam er deshalb keinen Ärger. Eher Bewunderung. Seine Mutter war das Mädel aus dem Fleischhauerviertel, das den reichsten Mann der Gegend geheiratet hatte. Die härteste Arbeiterin von ganz Ebernau. Marie, die inzwischen zwölf Chalets und ein Restaurant besaß.
Flo machte einen Schritt zurück. Der Blonde folgte ihm. Flos Kniekehlen stießen gegen eine der Holzbänke, in die Generationen von Skischülern ihre Initialen gekerbt hatten. Diese Hütte hatte mehr Kerben als glatte Stellen. Die rot-gelben Banner des Wintersportvereins verdeckten die schlimmsten Macken, aber es war offensichtlich, dass die Wände so alt und verbraucht waren wie die kalte Luft. Die elf Jungs und Mädchen, die sich hier versammelten, wirkten in der Umgebung wie blankpoliert. Ihre neuen Snowboard-Anzüge leuchteten vor den dunklen Wänden.
Nur der komische Junge, der Flo anfeindete, trug eine grüne Jacke, der die Hälfte der Knöpfe fehlte. Ihr Kragen war speckig und auf dem linken Ärmel prangte ein verwaschener Fleck. Der Kerl hätte schäbig ausgesehen, wenn sein hübsches Gesicht nicht gewesen wäre. Flo war sich noch nicht zu hundert Prozent sicher, dass er auf Jungs stand. Aber er musste jetzt schon zugeben, dass dieser Idiot ein gutaussehender Idiot war. Und ein Arschloch, offensichtlich.
»Gibst du zu, dass du ihr Sohn bist?«, fragte das Arschloch herausfordernd.
Flo ballte die Fäuste. Sie zitterten. Ja, er war schüchtern. So schüchtern und scheu, dass er sich kaum traute, mit Fremden zu sprechen. Doch selbst seine Geduld hatte Grenzen. Beleidigte dieser Trottel seine Mutter?
»Hast du ein Pro-problem mit meiner Mutter?«, fragte er den Blonden. Der schnaubte schon wieder. Ein fieses Lächeln huschte über seine Mundwinkel.
»Stotterst du auch noch?« Er verdrehte die Augen. »Nur dass du’s weißt: Deine Mutter hat meiner Mutter vor siebzehn Jahren die Skiköniginnenkrone geklaut. Sie wär’s garantiert geworden, wenn deine Alte nicht mit dem Richter angebandelt hätte.«
»Was? Das, äh, höre ich zum ersten Mal.« Flo straffte sich. »Und selbst wenn, was ist das für ein blöder Grund? Das ist ewig her. Vor siebzehn Jahren waren wir beide noch nicht geboren.«
»Waren wir beide noch nicht geboren«, höhnte der Arschlochidiot. »Das ist egal. Meine Familie vergisst nie, merk dir das.«
»Deine Familie?« Flo starrte ihn an. »S-seid ihr berühmt oder so? Wieso hab ich dich dann noch nie gesehen?«
Er hörte ein leises Kichern aus der Gruppe. Er sah, dass die Ohren des Blonden einen leichten Rotton annahmen. Die hellgrünen Augen verengten sich zu Schlitzen. Hätte Flo weiter zurückweichen können, hätte er es getan. Fast rechnete er mit einem Schlag. Bebend beobachtete er die Fäuste seines Gegners, die in schäbigen Handschuhen steckten.
Aber der Idiot wirbelte herum.
»Wer hat gelacht?«, rief er. Niemand antwortete. Alle starrten ihn an.
Was für ein Psychopath, dachte Flo.
Er zuckte zusammen, als der Trottel sich ihm wieder zuwandte. Er deutete auf Flos 450-Euro-Skijacke, als könnte sein Zeigefinger Laserstrahlen darauf abschießen.
»Dich mach ich fertig«, knurrte der Blonde.
»Was?« Flo sah sich panisch nach ihrem Trainer um. Aber der stand noch vor der Hütte und besprach die letzten Kleinigkeiten mit seinem Praktikanten. Flo begann zu bereuen, dass er sich für diesen Workshop angemeldet hatte.
»Mann, guck nicht so blöd.« Der Idiot verzog das Gesicht. »Ich hau dich doch nicht. Meinst du, ich hab’s nötig, Schwächlinge zu verprügeln? Ne, da draußen mach ich dich fertig. Auf dem Board. Deine teure Ausrüstung wird dir ’nen Scheiß bringen.«
Wut brodelte in Flo hoch.
»Was ist dein Problem? Ich hab dir nichts getan. Ich … ich kenne dich doch gar nicht.«
»Wirst du aber. Mich kennenlernen, meine ich.« Der blonde Trottel grinste breit. Spitze Eckzähne funkelten. »Auf der Piste bin ich der King. Wirst schon sehen.«
»Werd ich nicht«, sagte Flo, weil ihm nichts Besseres einfiel. Dann hatte er einen Geistesblitz, endlich. »Weil … ich dich so weit hinter mir zurücklasse, dass ich dich gar nicht sehen kann.«
»Ach ja?« Das Grinsen wurde breiter. »Das finden wir gleich raus.«
»Ja. Finden wir.«
Und jetzt? Flo war keinen Streit gewohnt. Er war schließlich ein Einzelkind, verdammt! Glücklicherweise schien es das gewesen zu sein. Der Blonde drehte sich um, stapfte auf die entgegengesetzte Seite des Raums und ließ sich zwischen zwei anderen Jungs auf eine der Holzbänke fallen. Die klatschten ihn ab, als hätte er gerade irgendetwas gewonnen.
»Idiotisch«, murmelte Flo. Er kannte sich so gar nicht. Sonst war er viel zu unsicher, um sich zu zanken. Was hatte dieser Proll an sich, das ihn so wütend machte?
»Es liegt nicht an dir«, sagte ein dunkelhaariges Mädel neben ihm. Allerdings so leise, dass der Blonde sie nicht hören konnte. »Der ist immer so. Ein Volltrottel.«
»W-wer ist das überhaupt?«, fragte Flo.
»Marc Winter.«
Oh. Ja, von Familie Winter hatte er gehört. Das ließ sich in einer Kleinstadt mit Dorfcharakter nicht vermeiden, selbst, wenn man die Privatschule am anderen Ende der Stadt besuchte. Marc musste in einem der ärmeren Viertel zur Schule gehen, an einem Ort, an dem einem offensichtlich keine Manieren beigebracht wurden.
Flo schwor sich, Marc Winter Schnee fressen zu lassen, wenn er an ihm vorbeizog. Er würde ihn schlagen, ganz fair. Da draußen. Der Kerl würde nicht wissen, was ihn erwischt hatte.
Leider kam es anders. Marc Winter, der arrogante Angeber in den ärmlichen Klamotten, war der beste Snowboarder, den Flo je erlebt hatte. Es dauerte Jahre, bis er ihn einholte. Und noch länger, bis sie zum ersten Mal ein freundliches Wort miteinander wechselten.

Fünf Jahre später

2. Ein Scheißjob

»Ich würde mich so gern wieder verlieben«, seufzte seine Mutter und stützte den Kopf in die Hände.
Sie lehnte an dem mit Brotkrumen übersäten Tisch wie eine jungfräuliche Prinzessin, die gleich ein Lied über die wahre Liebe anstimmen würde, zusammen mit einem Chor aus Vögeln, Mäusen und Kaninchen. Nun, Mäuse hatten sie hier tatsächlich ab und zu. Abgesehen von denen würde sie mit Lebensmittelmotten vorliebnehmen müssen.
Gerade waren die einzigen Geräusche allerdings das Knarzen des alten Hauses und das Klappern des Geschirrs. Der Geruch von Kaffee und frischem Brot lag noch in der heizungswarmen Luft.
»Richtig verlieben, wisst ihr?«
Marc und Josh sahen sie ungläubig an. Shirley fuhr damit fort, den Tisch abzuräumen, während sie ein Buch auf dem Unterarm balancierte, in das sie vollkommen vertieft war.
»Warum?«, fragte Josh, der Spätzünder. Marc bezweifelte, dass der mit fünfzehn schon herausgefunden hatte, was Mädchen waren. »Du warst doch schon verliebt.«
»Einmal ist nicht genug«, sagte ihre Mutter und seufzte erneut. Noch prinzessinnenhafter. »Selbst zweimal nicht.«
»Wie oft denn dann?«, fragte Marc misstrauisch. »Ne, warum lässt du es nicht einfach? Nachher kriegst du dann noch so eine nervige Blage, um die ich mich kümmern muss.«
»Du kümmerst dich überhaupt nicht!«, motzte Josh. Sein sommersprossiges Gesicht drückte Unmut aus. »Die Wohnung ist ein Saustall und kochen kannst du auch nicht. Seit Nils in Köln ist, geht hier alles den Bach runter.«
»Koch du halt«, sagte Marc. »Wenn du so darauf stehst.«
»Bitte nicht«, riefen seine Mutter und Shirley im Chor.
»Ich koche super«, behauptete Josh. Marc schnaubte.
»Stimmt, die Honigzwiebeln in Marmeladensauce gestern waren scheiß-delikat.« Er würgte.
»Ich versuch’s wenigstens!«, rief Josh. Er warf die Hände in die Luft. »Und ich erledige meine Aufgaben. Du schwänzt den Putztag dauernd für dein blödes Training!«
»Hey, ich bin so knapp davor, Profi zu werden.« Marc hielt Daumen und Zeigefinger Millimeter voneinander entfernt. »Ich hab keine Zeit für …«
»Ich sagte, ich würde mich gern wieder verlieben«, drängte seine Mutter sich dazwischen. Sie räusperte sich vernehmlich. »Immer nur zuhause hocken und mich um euch zu kümmern, das ist nichts für mich. Ich bin eine leidenschaftliche Frau.«
Josh sah sie entsetzt an.
»Romantische Liebe endet stets im Desaster«, behauptete Shirley, die davon noch weniger verstand als Josh. Niemand außer Marc verstand etwas davon. Er war bestimmt der Einzige im Raum, der in diesem Jahr schon jemanden flachgelegt hatte. Hoffentlich. Er hatte keine Ahnung, was seine Mutter so mit ihren erwachsenen Skischülern trieb.
»Ach, davon verstehst du nichts, Shirley«, sagte Jennifer Winter und verdrehte die Augen. »Ich meine, natürlich stimmt das, aber … lass deiner alten Mutter doch die Hoffnung auf etwas Romantik. Auf etwas Abwechslung.«
»Du bist nicht alt«, sagten die Zwillinge pflichtschuldig. Marc schwieg. Seine Mutter war vierzig, das war schließlich uralt!
»Und wozu soll dieses Verlieben gut sein?«, fragte Marc.
Sie schnaubte leise. »Das verstehst du nicht, Kleiner. Dafür bist du viel zu egozentrisch. Sich zu verlieben, das … Also dieser Moment, wo es passiert, der Moment, in dem man seinem Traummann in die Augen sieht, das ist …« Sie überlegte. »Das ist, als würde eine Konfettibombe in einem explodieren. Boom!« Sie warf die Arme in die Luft.
»Boom!«, rief Josh, der immer für Explosionen zu haben war.
»Konfettibomben gibt’s nicht«, murrte Marc.
Seine Familie war so bescheuert. Er schüttelte den Kopf und marschierte aus der Küche. Im Bad hatte er endlich Ruhe. Unter der funzligen Deckenlampe stylte er sich die Haare, bis er noch besser aussah als sonst. Als Einziger seiner Geschwister hatte er Mamas gutes Aussehen geerbt. Nils war ein Schrank, Josh ein Bubi und Shirley hätte selbst ohne Brille wie ein Bücherwurm ausgesehen. Aber Marc war der schönste Mann von Ebernau. Mindestens.
Und er wurde immer schöner. Mit achtzehn hatte er auch den letzten Rest Babyspeck verloren und seine Wangenknochen traten klar hervor. Zufrieden betrachtete er die harte Linie des Kiefers und seine breiten Schultern. Er grinste sich in dem halbblinden Spiegel an, bis er rüde von Shirley unterbrochen wurde, die an die Tür hämmerte.
»Geh endlich zu deinem blöden Job! Ich muss aufs Klo!«
Marc ließ sich extra lange Zeit dabei, die Tür zu öffnen, und dachte sehnsüchtig an den Tag, an dem er eine eigene Wohnung haben würde. Bald. Nach dem Ebernau-Cup in zwei Wochen war alles möglich. Wenn er den gewann, waren all seine Träume in Reichweite.
»Na endlich!« Shirley schubste ihn grob zur Seite. Erstaunlich kräftig für so ein mageres Vögelchen.
»Nerv nicht, Streberschlange«, motzte er.
»Bist ja nur neidisch, Hohlkopf.« Die Tür fiel krachend ins Schloss. Der Schlüssel drehte sich quietschend.
»Auf dich?« Marc lachte höhnisch. »Ich bin bald der beste Snowboarder der Welt und du kannst froh sein, wenn ich dann noch mit dir rede!«
»Infantil bist du!«, rief sie, was immer das heißen sollte.
Marc schüttelte den Kopf und ging zurück in die Küche. Sie sah wirklich saumäßig aus. Die Wandbords, Kerzenständer und Tonfiguren waren von einer dicken Staubschicht bedeckt und die Mülleimer quollen über. Er spürte Steinchen und Brotkrumen unter den Fußsohlen. Aber wann sollten sie auch putzen? Sie alle hatten Jobs, die Zwillinge zusätzlich Schule und Marc steckte mitten im härtesten Training seines Lebens. Und im absolut dämlichsten Job, den er je gehabt hatte. Wenn der nicht erstaunlich gut bezahlt gewesen wäre, hätte er sich nie dazu herabgelassen.
»Ich hau ab«, verkündete er und winkte Josh und seiner Mutter zu, die gerade den Tisch putzten.
»Was?« Josh fuhr hoch. »Hilf gefälligst mit! Du bist mit Spülen dran!«
»Keine Zeit. Mach ich heute Abend.«
»Machst du nicht!« Joshs Gesicht war rot vor Wut. »Machst du nie!«
»Wenn du so sicher bist, kannst du dich ja drum kümmern.« Marc zuckte mit den Achseln.
»Marc Anselm Winter!« Seine Mutter stützte die Hände in die Hüften. »Du spülst, oder es gibt Ärger!«
Marc knurrte leise. »Aber der Meirle feuert mich, wenn ich zu spät komme. Willst du, dass ich meinen Job verliere?«
Ihre Miene war eine wütende Fratze unter dem roten Schopf. So würde sich bestimmt niemand in sie verlieben.
»Dann halt heute Abend«, blaffte sie. »Aber dann wirklich!«
»Ja, klar.« Marc schlenderte in den Flur und zog sich die Schuhe an.
»Marc!«
»Ja, verdammt! Dann mach ich das halt!« Würde er nicht. Heute Abend war eine Party auf dem Hang und er würde direkt nach dem Training dort hingehen. Auch wenn er nicht lange bleiben und kaum etwas trinken konnte. Training war Training und seine Karriere ging vor.
Schwungvoll warf er die Tür hinter sich zu. Nicht nur, weil er genervt war, sondern auch, weil das blöde Teil sonst nicht im Schloss blieb. Ihr Haus wurde mit jedem Jahr baufälliger. Er sah zurück auf das windschiefe, zweistöckige Gebäude. Sein Zuhause, seit er denken konnte. Und doch hätte er alles dafür gegeben, auszuziehen. Irgendwohin, wo man abends ein Mädel mitnehmen konnte. Ein schickes Apartment vielleicht. Ein Loft, ein Chalet. Weiter oben am Hang wimmelte es von den Dingern. Aber die gehörten den reichen Touristen und den paar Ebernauern, die genug Kohle dafür hatten. Flos Mutter zum Beispiel.
Marc schwang sich auf sein Fahrrad und sauste los. Der eisige Wind schlug ihm ins Gesicht. Es prickelte wie Nadelstiche. Ekelhaft. Warum zur Hölle musste er sich dazu herablassen, diesen idiotischen Job zu machen? Flo arbeitete nicht. Der hatte, genau wie er, im Sommer sein Abi gemacht. Aber soweit Marc das aus der Ferne beurteilen konnte, tat er nichts. Na, außer snowboarden. Sonst wäre er nicht so gefährlich nah an Marc herangekommen.
Wie kam das überhaupt? Seit einem Jahr waren sie plötzlich ernsthafte Konkurrenten. Wie hatte Flo soviel besser werden können, obwohl Marc ihn sonst immer besiegt hatte? Er hatte sogar den Tetramin Plus-Cup gewonnen und Marc war nur Zweiter geworden.
Leise brummelte er in seinen Schal hinein. Wut stieg in ihm auf, als er daran dachte. Heiße Wut. Dieser reiche Nichtsnutz! Alles, was der besaß, hatten seine Eltern bezahlt. Die Klamotten, die Snowboards, die Privatschule … Alles. Der musste nie durch die Kälte radeln, kaum, dass die Sonne aufgegangen war, um einen total erniedrigenden Job zu machen. Nur, damit seine Familie durch den Winter kam, ohne, dass ihnen die Heizung abgedreht wurde.
Marc kreuzte die Hauptstraße, wich zwei Porsches aus, die empört hupten und riss das Lenkrad hoch, um auf dem Bürgersteig weiterzufahren. War eh kaum einer unterwegs um die Zeit. Schwächliche Morgensonnenstrahlen brachten die vereisten Straßenlaternen zum Glitzern. Bunte Banner flatterten über ihm.
»Ebernau-Cup« stand darauf geschrieben. So ein Glück, dass der erste wichtige Wettbewerb in diesem Jahr in seiner Heimat stattfand. Nur die Qualifikation würde in Greilbergen sein, warum auch immer. Egal. Bald. Bald würde er ein Profi sein. Sein Trainer meinte, wenn er hier gewann, würden die großen Sponsoren nicht auf sich warten lassen.
Er wich drei Mülleimern aus und raste um die Ecke. Fast wäre er gegen einen gigantischen Blumenkübel gestoßen, der um diese Jahreszeit nur mit Plastiklilien gefüllt war. »Skibekleidung Hohenheim« stand in goldenen Buchstaben darauf. Er war im Touristengebiet angekommen. Abgase und teures Parfüm verpesteten die Luft. Edle Sonnenbrillen funkelten auf den Nasen der Frühaufsteher, die jetzt schon zum Lift schlenderten. Er fuhr ein wenig vorsichtiger. Jeder, den er hier umnietete, würde ihn verklagen. Hundertprozentig.
Über ihm erhob sich die schneebedeckte Bergkette. Winzige Punkte rasten herunter: Skifahrer und Snowboarder. Der gigantische Skilift sah von hier aus wie ein Spielzeug. Später würde er auch da hoch fahren. Sein Herz schlug schneller, sobald er daran dachte. Wenn er nur jetzt schon … Aber er hatte etwas zu erledigen.
Schwungvoll bog er in die Gasse neben dem Rathaus ein. Er pfefferte sein Rad in den Fahrradständer, schloss es ab, obwohl niemand das Schrottding klauen würde, und öffnete die messingverzierte Tür des Nebeneingangs. Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die rot ausgelegte Treppe hoch. Er roch altes Holz, staubigen Teppich und frischgedruckte Plakate.
»Du bist zu spät!«, begrüßte Bianca ihn, als er durch die Tür kam. Aber sie lächelte. Natürlich. Frauen lächelten immer, wenn sie ihn sahen. »Der Meirle wird ganz schön sauer auf dich sein.«
»Wegen fünf Minuten?«, fragte er und marschierte zum Spind der Schande. »Wenn ich meinen Charme spielen lasse, kann ich demnächst ’ne Viertelstunde zu spät kommen.«
»Probier’s mal.« Sie lachte glockenhell. Mary fiel ein.
Sie waren zu dritt in dem fensterlosen Raum, der mit »Ebernau-Cup«-Wimpeln, Postern und Fähnchen vollgestopft war. Die beiden würden heute die letzten Plakate anbringen. Ein Job, den Marc auch gemacht hätte, wenn er nicht einen besser bezahlten gehabt hätte.
Er spürte ihre Blicke, als er sich die Klamotten vom Leib riss. Als er nur noch im Slip dastand, drehte er sich zu ihnen um. Lächelnd spannte er den Bizeps an.
»Das gefällt euch, was?« Er grinste.
Mary lief rot an, aber Bianca nickte kichernd. Die beiden waren nur ein Jahr älter als er, oder? Würden sie heute Abend auf der Party sein? Vielleicht hatte eine von denen eine eigene Bude. Einen Ort, den er nicht mit Josh teilen musste. Seine letzte Freundin hatte ihn immer in ihr Zimmer schmuggeln müssen und das war mehr als einmal schiefgelaufen.
Marc atmete tief ein und öffnete den Spind. Sofort sank seine Laune ins Bodenlose.
»Na dann«, knurrte er leise. Er vernahm schon wieder Kichern und diesmal nervte es gewaltig.
»Viel Erfolg, Hamsterbäckchen«, sagte Bianca.

Zehn Minuten später hätte er die ganze Welt erwürgen können. Schwitzend stand er in der Fußgängerzone, und versuchte, reichen Touristen Flyer anzudrehen. Flyer, die den Ebernau-Cup ankündigten. Der Cup, der ihn zum Star machen würde. Warum zur Hölle musste er dafür Flyer verteilen? Und warum musste er dieses idiotische Kostüm tragen, wenn er über ein ausgesprochen attraktives Gesicht verfügte, das bestimmt viel mehr Touris angelockt hätte? Na, zumindest Touristinnen.
»Schau mal, Annabelle«, sagte eine blondgesträhnte, braungebrannte Dame zu ihrer rosagekleideten Tochter. »Ein Biber.«
»Hamster«, brummte Marc durch das winzige Loch im Hals des Kostüms.
»Hässlicher Hamster«, sagte Annabelle und beäugte ihn misstrauisch. »Dicker Hamster.«
Selber dick, du Zwergmoppel, wollte Marc sagen. Aber er brauchte den Job. Also hielt er den beiden einen knallbunten Flyer hin. Die Frau schüttelte den Kopf, als wäre der dumme Zettel ein unanständiges Angebot und zog Annabelle weiter.
Marc schwankte weiter. In dem Kostüm bewegte er sich so schwerfällig, als wäre er morbid übergewichtig. Immer wieder drückte er Leuten Flyer in die Hand, nur, um zu sehen, wie sie sie wenige Meter weiter achtlos fallen ließen. Das Kopfsteinpflaster um ihn herum war übersät mit den Dingern.
»Ah!« Ein graumelierter Mann schrak zusammen, als Marcs pelzig-dicker Hamsterarm plötzlich in seinem Blickfeld auftauchte. »Was … Oh.«
Der Typ lachte beschämt und nahm ihm den Flyer aus der Hand. Das war das einzig Lustige an dem Job. Wenn sich jemand vor dem Horrorhamster erschreckte. Die Designer, die das mistige Maskottchen entworfen hatten, hätten die Prügelstrafe verdient gehabt. Stattdessen hatten sie einen fünfstelligen Betrag kassiert, wenn man seinem Chef glauben durfte. Super.
Marc sah seine Spiegelung im Schaufenster der Parfümerie gegenüber und unterdrückte ein Stöhnen. Ein Scheusal sah ihm entgegen: ein kugelförmiges, flauschiges Vieh mit irren Augen, einem wahnsinnigen, einzahnigen Grinsen, einem »Ebernau-Cup«-Shirt und selbstverständlich ohne Hosen. Sein Bruder Josh hatte alle Hamster-Poster, die in ihrem Viertel aushingen, mit Penissen verziert. Immerhin einmal hatte er Marc so zum Lachen gebracht.
So ein Scheiß.
»He! Hamster!«, rief eine bebrillte Frau, die ihn an seine Grundschullehrerin erinnerte. Sie winkte ihn zu ihren Freundinnen hinüber, die ihr glichen wie ein Ei dem anderen. Kurze, praktische Frisuren, Jack Wolfskin-Jacken und »fesche« bunte Riesenohrringe. Marc hätte sich am liebsten geweigert. Ging aber nicht. Er trottete zu ihnen und fand sich sofort in einer Umarmung wieder, die ihn fast zu Fall gebracht hätte.
»Los, mach ein Foto, Mechthild!«, rief die Bebrillte. Kreischen und Kichern gellten in Marcs Ohren. Zwei Frauen umarmten ihn, während die andere ein Foto machte, obwohl sie sich vor Gackern kaum halten konnte.
»Mensch, ist der aber behaart«, kreischte Mechthild und die anderen beiden knickten ein vor Lachen. Endlich ließen sie ihn los, um sich das dämliche Foto anzusehen.
»Bitte, gern geschehen«, murmelte Marc und wandte sich ab. Wie lange noch? Ach ja: dreieinhalb Stunden. Von vier. Die Zeit schlich, wenn man als Icy Joe, der lustige Snowboard-Hamster, verkleidet war.
»Netter Arsch, Hamster!«, brüllte ihm eine der Frauen hinterher. Lautes Kichern ertönte.
»Das Kompliment kann ich nicht zurückgeben«, rief er und sie waren endlich still. Hoffentlich beschwerten sie sich nicht bei Herrn Meirle.
Warum musste er diesen erniedrigenden Job machen? Warum er und nicht … Flo zum Beispiel? Der hätte sich bestimmt gefreut, wenn er sich in dem viel zu heißen Kostüm hätte verstecken können. Flo wirkte immer, als wollte er sich verstecken. Vor was auch immer. Der hatte doch alles, was er brauchte, warum schaute der trotzdem immer, als würde er gleich in Tränen ausbrechen? Na, außer, wenn er mit Marc stritt. Allerdings … Seit einem Jahr hatte Flo sich verändert. Ein wenig. Er ging aufrechter und gewann Rennen. Leider. Ob das an diesem Paul lag? Mit dem hatte Marc ihn damals gesehen. Ob …
Marc schreckte hoch. Oh! Als hätten seine Gedanken ihn herbeigerufen, schritt Flo über das Kopfsteinpflaster auf ihn zu. Wie immer hatte er den Kopf bis zur Nase in dem Schal vergraben, den er über seinem grauen Kaschmirmantel trug. Seine Wangen waren gerötet und er sah die anderen Passanten an, als befürchtete er, dass sie sich ihm böswillig in den Weg werfen würden. Aber seine Schritte waren zielstrebig. Ja, der hatte sich verändert. Die schwarzen Haare flatterten hinter ihm her, so schnell marschierte er. Dabei war die wellige Milchbubifrisur, die er trug, eigentlich zu kurz zum Flattern. Über der Schulter trug er einen dunkelblauen Rucksack.
Das war ja klar. Während Marc in seinem miesen Nebenjob litt, fuhr der feine Herr Flo in den Urlaub. Dabei war die Quali in ein paar Tagen! Ärger brodelte in Marc hoch.
»Hast du’s eilig, Muttersöhnchen?«, rief er.
Flo stolperte und konnte sich gerade noch fangen. Knapp vor Marc blieb er stehen und riss die Augen auf.
»Marc?«, fragte er ungläubig. »Warum bist du ein Hamster?«

Jahresrückblick 2016!

Und mehr.

Viel mehr

Viel, viel mehr

Erster Tag zurück im Büro. Erholt, glücklich und entspannt. 🙂 Gerade habe ich die Printversion von „Aufgetaut“ an Books on Demand übermittelt, damit die Leute, die Print lieber mögen, das endlich auch lesen können.

Und nun … habe ich ein paar Minuten, um über das vergangene Jahr nachzudenken. Das vergangene Jahr als Autorin, darum geht’s auf diesem Blog schließlich. Was habe ich gelernt? Was hat gut geklappt und was ist schiefgelaufen?

Verdammt wenig ist schiefgelaufen, hehe! Okay, da gab’s ein paar Sachen, aber die fallen einfach kaum ins Gewicht, wenn alles andere so 1000x toller lief, als ich es mir erträumt hätte. Ich habe das Jahr als überarbeitete Pendlerin begonnen und als Vollzeit-Autorin beendet. Wenn das nicht super ist, was dann? Wobei ich jetzt nicht aus einem höllischen Schikane-Job geflüchtet bin. Die Arbeit war okay und die Kollegen wundervoll. Aber sich den ganzen Tag lustige Geschichten ausdenken, macht dann doch mehr Spaß.

Jut, Rückblick, von Anfang an …

Dazu muss ich weit ausholen. Ungefähr … 10 Jahre weit. Jupp. Damals hatte ich diese Idee für einen Manga, die ich unbedingt umsetzen wollte. Der Held war ein schlecht gelaunter Punkrocker, der wie so viele Mangahelden, wunderschön, hochintelligent und ein Frauenheld ist. Da mir kein Name einfiel, habe ich eine Freundin gebeten, ihm einen zu geben und sie kam ausgerechnet auf „Pierre“. Und da es mich damals total genervt hat, dass es in den Lovestories, die ich gelesen habe, auch unter Männern immer eine klassische Rollenverteilung zwischen stark („männlich“) und schwach („weiblich“) gab, brauchte ich jemanden, der diesem Pierre ebenbürtig war. Aber anders, sonst wird’s ja langweilig.

So entstand Boris, der gigantische, maulfaule und mürrische Torwart. Der konnte Pierre zwar geistig nicht das Wasser reichen, aber ihm eine reinhauen, wenn er zu frech wurde. Ähm, ja. Und da es gut ist, erstmal den ganzen Text aufzuschreiben, bevor man beginnt, zu zeichnen, habe ich das gemacht. Zwei oder drei Jahre lang.

Irgendwann wurde mir klar, dass ich hier kein Skript schreibe, sondern ein Buch. Ein Buch, das natürlich niemand je lesen wollen würde, schließlich war ich keine Autorin, aber: ein Buch. Und Schreiben hat Spaß gemacht. So sehr, dass ich dranblieb, obwohl es mich oft in den Wahnsinn getrieben hat und ich an meinen eigenen Ansprüchen fast zugrunde gegangen bin. So sehr, dass ich … es beendet habe, als erstes Buch ever. Ich konnte die Jungs einfach nicht hängenlassen. Die brauchten ein Happy End nach dem ganzen Drama und zwar das beste, das ich ihnen schenken konnte.

Inzwischen hatte mich das Schreiben so gepackt, dass ich noch einen unglaublich lehrreichen Schreibkurs hinterher geschoben habe, und dann … kam mir das Leben dazwischen. Oder eher: das Geld. Das musste ich langsam mal verdienen und mit Schreiben war da nichts zu machen. Ich habe mich auf mein anderes Talent konzentriert und wurde Illustratorin. Habe eine Fortbildung in Animation gemacht und ja, das mit dem Geld verdienen hat tatsächlich geklappt (einigermaßen).

Aber in den nächsten Jahren hat mich das Schreiben nie ganz losgelassen. Da waren immer noch Pierre und Boris, deren Geschichte überarbeitet werden wollte. Und ein paar andere Ideen, unter anderem die von dem Kerl, der in Frauenkleidern versehentlich einen Prinzen heiratet … Aber mit sowas kann man ja kein Geld verdienen.

Das klingt jetzt, als wäre ich total geldgeil gewesen, aber ich war hauptsächlich arm. Da denkt man zwangsläufig viel an Geld. Ich habe mir alle möglichen Kompromisse überlegt, wie ich mit Schreiben irgendwie zu meinem Lebensunterhalt beitragen könnte. Wenigstens ein bisschen, soviel, dass es die Miete zahlt oder mal einen Restaurantbesuch finanziert.

Leider gab es ein weiteres Problem, das viele Selbständige kennen: Das Chaos, das ohne geregelten Tagesablauf entsteht. Ich habe es irgendwie geschafft, den Illustrationskram zu erledigen, aber, auch weil ich zuhause gearbeitet habe, war an Schreiben nicht zu denken. Prokrastination auf facebook usw. kam mir wichtiger vor. Lustigerweise habe ich jahrelang, um mich vor dem Schreiben zu drücken, Schreibratgeber gelesen.

Dann, 2013, als es mit Illustration auch noch schlecht lief, habe ich eine Bewerbung geschrieben und wurde genommen. Eine richtige Festanstellung. Allerdings: eine gute Stunde von zuhause entfernt, die ich jeden Tag hin- und herpendeln musste. Freunde, Bekannte und Verwandte waren vollkommen entsetzt, während sich in meinem Kopf eine begeisterte Stimme meldete und rief: „Drei Stunden jeden Tag! Das ist Schreibzeit!“

Und das hat, wunderbarerweise, funktioniert. Endlich hatte ich wieder geregelte Arbeitszeiten und ein festes Zeitfenster, in dem ich schreiben konnte. Im Zug, mit Tablet und Tastatur auf dem Schoß. Nicht immer leicht, dank Schlingern, neugierigen Mitlesern, Schulausflügen und Junggesellinnenabschieden („Zu ihm“ ist mein autobiografischstes Buch). Aber die größte Hürde, meine eigene Faulheit, war überwunden.

Natürlich hatte ich immer den Traum, vom Schreiben zu leben, im Hinterkopf. Mit Gay Romance (von der ich damals noch gar nicht wusste, dass sie so heißt) war das natürlich nicht machbar. Also habe ich erstmal zwei Hetero-Liebesromane und eine Dystopie geschrieben.

Als ich den ersten Liebesroman (Leonie Biersack) herausbrachte, passierte auch gleich … nichts. Ein paar Verkäufe in den ersten Tagen und das war’s dann. Ein typische Selfpublisher-Geschichte.

Entmutigt war ich nicht. Ich wusste, dass es eine Weile braucht, bis man erfolgreich ist. Eine Weile und viele Bücher. Aber meine Autorenseite bei amazon sah verdammt kahl aus mit nur einem läppischen Buch. Und so kam ich auf die Idee, auch noch „No Way„, die Geschichte mit Pierre und Boris hochzuladen. Nur, um mehr wie eine richtige Autorin auszusehen. Große Chancen habe ich mir nicht ausgerechnet. Ich habe den beiden ein schönes Cover gemalt, das Buch hochgeladen, „Gay Romance“ draufgeschrieben und bin schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen warf ich einen Blick auf das Verkaufs-Dashboard und kippte fast um. Ich hatte 17 eBooks verkauft! 17! Eine unglaubliche Menge, soviel hatte Leonie Biersack insgesamt nicht eingebracht! Über zwanzig Euro verdient, im Schlaf! Wer hätte gedacht, dass irgendwer außer mir solche Geschichten mochte?!

Insgesamt habe ich in dem Monat über tausend Euro verdient. Dann sanken die Verkaufszahlen und das Ranking und „No Way“ verschwand langsam in den Untiefen des Amazonas, bis die Monatseinnahmen nur noch für einen Restaurantbesuch reichten. Aber das war mir egal. Ich hatte Blut geleckt. Wenn jemand außer mir Gay Romance mit saudummen Witzen liebte, dann würde ich weiterschreiben. Ideen hatte ich über die Jahre genug angesammelt (viel mehr als für andere, „vernünftige“ Bücher) also habe ich losgelegt. 2015 schrieb ich „Funkenflut“ (das eigentlich ein Porno war, erzähl ich irgendwann mal) und „Seine Narben“ und 2016 fing ich an, zu veröffentlichen (Überarbeiten braucht Zeit).

2016!

Uuuuund damit sind wir endlich im Jahr 2016! Meinem Jahr! Das für alle anderen anscheinend furchtbar war, na ja, für mich auch irgendwie, aber halt weder privat noch beruflich. Im Februar brachte ich „Funkenflut“ heraus und es lief genau so gut wie „No Way“. Ich war vollkommen ekstatisch. Meinen Job kündigen konnte ich von dem Geld noch nicht, aber … das war was. Das war ganz bestimmt was.

Ende März veröffentlichte ich „Seine Narben“. Eine Geschichte über einen reichen Schönling, der versucht, seinen armen Mitbewohner loszuwerden und sich versehentlich in ihn verliebt. So wunderbar beknackt, dass ich mal wieder sicher war, dass nur ich an diesem Buch Spaß haben würde und sonst niemand.

„Seine Narben“ ist bis heute mein größter Erfolg. Das erste Mal, dass ich mit Schreiben mehr verdient habe als mit meinem „richtigen“ Job und das mit genau dem lustigen, kitschigen, saudummen Kram, den ich am allerliebsten zusammenspinne!

Und dann war irgendwie alles klar. Ein bisschen Abwägen und ein paar Ermutigungen später habe ich gekündigt. Ab Juni 2016 war ich wieder selbständig.

Regeln, Zucht und Ordnung

Diesmal wollte ich alles (alles!) besser machen als beim letzten Mal. Kein Prokrastinieren mehr! Keine Ängste und Selbstzweifel und Rumgeheule! Da zuhause arbeiten nicht funktioniert hat, habe ich einen Platz in einem Büro voll Kreativer gefunden (Danke, Marcel!). Und ich habe eiserne, knallharte Regeln für meine Arbeit aufgestellt, die ich nie, nimmer, nicht brechen durfte!

Hat eigentlich halbwegs funktioniert. Nur die Regeln sind anders als vorher.

Begonnen habe ich mit diesen fünf:

1. Hab keine Angst
2. Hab Spaß
3. 8:00 – 12:00 Uhr: Schreibzeit
4. Was du anfängst, musst du beenden
5. spätestens 18:00 Uhr: Feierabend

Ein Teil ist geblieben, ein Teil hat sich als unpraktikabel erwiesen. Die festen Schreibzeiten zum Beispiel. Ich dachte damals, dass ich den Vormittag über schreiben würde und den Rest des Tages alles andere erledigen würde (und das ist als selbständige Autorin, Comiczeichnerin und Illustratorin eine ganze Menge). Was soll ich sagen? Klappt nicht. Es fällt mir leichter, die Rohfassung eines Buchs in zwei Wochen in Vollzeit runterzutippen als in vier Wochen halbtags. Und wenn ich mich um das Comicprojekt, das auch noch „nebenbei“ läuft, kümmern muss, ist es leichter, eine ganze Woche dafür zu verplanen als ein paar Stunden zwischendurch. Ich arbeite sozusagen in Blöcken. Die neuen Regeln sind (zurzeit):

1. Schreib!
2. Hab Spaß dabei
3. Hab keine Angst (und wenn du Angst bekommst: Mach es trotzdem)
4. Was du anfängst, musst du beenden
5. Du verdienst ein Wochenende und einen Feierabend

Schwammiger, könnte man sagen. Aber da ich parallel mit festen Wordcounts/Zielvorgaben am Tag (kann man bei Papyrus Autor einstellen) und einem Kalender arbeite, funktioniert es. Die Regeln sind natürlich inspiriert von Heinleins Rules. Bei denen man immer dazu sagen muss, dass es seine Business-Regeln waren. Keine Anleitung zum „schön“ schreiben also, sondern Geschäftsregeln für Berufsschriftsteller und solche, die es werden wollen. Ich fahre bisher sehr gut damit.

Erfolg!

Alles, eigentlich. Oder fast alles. Alle Bücher, die ich für absolute Risikoprojekte gehalten habe, haben begeisterte Leser gefunden. Die Geschichte von zwei Typen, die beide total schlecht im Bett sind und sich ineinander verlieben? 14 5-Sterne-Rezensionen auf amazon. Meine Gay Romance Fantasy-Komödie in der zwei Männer total realistischen Sex auf einem Pegasus haben? Der größte finanzielle Erfolg, seit ich mich selbständig gemacht habe. In all der Zeit kamen exakt zwei Beschwerden, dass das alles viel zu bescheuert wäre.

Ich habe im letzten Jahr mehr wunderbare Autoren und Leser kennengelernt als je zuvor und mehr Bücher geschrieben sowieso. Und das Gruuuuuseligste gemacht, was ich mir früher vorstellen konnte: Eine Lesung gehalten. War eigentlich ganz lustig. Und danach hab ich NOCH MEHR nette Leute kennengelernt. 🙂

Reich bin ich nicht. Wenn ich nicht alle zwei Monate ein neues Buch veröffentliche, wird’s knapp. Aber das ist kein Problem, wenn man so viel Spaß hat. 🙂

Misserfolge

Gerade fällt mir nur einer ein und der ist wahrlich nicht SO schlimm (geärgert hat’s mich natürlich trotzdem). Also: In Autorenkreisen kursieren die unterschiedlichsten Meinungen zum „Weihnachtsgeschäft“. Manche sagen, da kaufen die Leute wie verrückt, da sie gerade Zeit, Weihnachtsgeld und neue E-Reader haben. Andere sagen, dass man auf keinen Fall im Dezember ein neues Buch herausbringen sollte, weil da ALLE neue Bücher veröffentlichen und man in der Masse völlig untergeht. Ich hab’s einfach mal ausprobiert und, äh …

Na ja.

Am 20. habe ich „Aufgetaut“ veröffentlicht. Es ging los wie immer, sogar besser. Aber dann …

So sieht die übliche Verkaufskurve eines eBooks aus:

Bei wirklich jedem meiner Bücher war es so. Erst das „Erster Tag“-Hoch, wenn alle Stammleser zuschlagen. Dann zwei, drei Tage Absinken, dann das zweite Hoch. Da haben die guten, alten amazon-Algorithmen kapiert, was die Leute, die dein Buch gekauft haben, noch gekauft haben. Und unter diesen Büchern wird dein Buch dann angezeigt, d.h. von Leuten entdeckt, die es auf anderem Wege nicht gesehen haben.

So sieht die Verkaufskurve von „Aufgetaut“ aus:

Jupp, das zweite Hoch fehlt. Und wenn man sich das Datum ansieht, weiß man auch warum. Natürlich kauft am Heiligabend niemand eBooks! Na ja, fast niemand. Hätte ich mir denken können.

Habe ich aber nicht.

Danach habe ich auch nichts von Leuten mit neuen kindles gemerkt, die zu Weihnachten ausschließlich amazon-Gutscheine bekommen haben. Also hat das Buch (das mir sehr am Herzen lag, aber das tun sie ja alle …) schlechter abgeschnitten, als es das in jedem anderen Monat getan hätte. Und das ist immer noch nicht SO übel. Nur ein wenig ärgerlich. Ich merke mir das einfach fürs nächste „Weihnachtsgeschäft“ und veröffentliche ab Mitte Dezember keine Bücher mehr. Hab’s mir sogar in den Kalender geschrieben. 🙂

In Zahlen!

In diesem Jahr habe ich  neun eBooks und sieben Printbücher veröffentlicht, neun Cover gemalt, einen Nanowrimo gewonnen und 384.000 Wörter geschrieben. Bin zufrieden.

Und sonst so?

Hm … Mein Lieblingsfilm 2016: Zootopia/Zoomania

Mein Lieblingsbuch 2016:

Dazu habe ich sogar einen Tagebucheintrag gefunden, Moment …

„Ich hab das beste Buch der Welt gelesen. Bis um halb zwölf nachts und um vier war ich wieder wach und hab weiter gelesen. Soooo gut!“ Was soll ich sagen? Mir hat’s gefallen. 🙂

Lieblings YouTube-Review-Dingsbums: Baywatching

Ein Lieblingslied oder -spiel habe ich nicht, weil ich alt bin und sonst …

Oh, Lieblingsserie 2016: Crazy Ex-Girlfriend. Zumindest habe ich das 2016 gesehen, so weit ich mich erinnere. Aber da ich noch nie jemanden davon überzeugen konnte, das zu schauen (bei „Musical“ machen Leute dicht 🙂 ), versuche ich es gar nicht erst.

So, ein erstklassiger Jahresrückblick 2016 (in dem der „2016“-Teil am Kürzesten war, aber egal). Auf ins neue Jahr! Morgen wird geschriiiiieben!!!

Neues Buch: Aufgetaut + Erstes Kapitel

Soeben lud ich mein neues Buch hoch und hoffe nun wie stets, dass alles gutgeht. 🙂 Und da ich merke, dass ich doch ziemlich urlaubsreif bin (Und „Deathtroyer“ eh in diesem Jahr nicht mehr fertig wird), gehe ich jetzt in den Urlaub, zur Hölle! 🙂 Aaaw, das wird schön! Endlich wieder nach Herzenslust lesen! All die angefangenen und halb fertigen Bücher von der Buch Berlin durchsuchten!
Aufgetaut“ ist ein richtiges Winterbuch geworden. Schön verschneit und romantisch, lustig und vielleicht ein wenig kitschig. Ich finde, das muss auch mal sein.

Das ist die Beschreibung:
Als Henrik in das malerische Dorf Ebernau kommt, trägt er nicht nur einen Rucksack voll Geld mit sich, sondern auch ein bitteres Geheimnis. Seit einem Jahr empfindet er nichts mehr. Seine Gefühle sind vereist.
Bis er Nils trifft. Der rüttelt etwas in ihm wach, das er längst verloren glaubte. Leider hasst Nils Henrik und weigert sich obendrein, sein Skilehrer zu werden. Kann Henrik ihn umstimmen? Kann er sich zurück ins Leben kämpfen und vielleicht sogar … Nils‘ Liebe gewinnen?

Uuuund Kapitel Eins:

Als Henrik in Ebernau ankam, hatte er nichts dabei als seine viel zu dünne Kleidung und einen Rucksack voll Geld. Ordentlich gebündelte 100- und 200-Euro-Scheine, die darauf warteten, sinnlos verschwendet zu werden.
Teilnahmslos schaute er sich auf dem Bahnsteig um. Ebernau sah aus, als wäre es einer Weihnachtspostkarte entsprungen. Malerische Fachwerkhäuser mit wölkchendampfenden Schornsteinen drängten sich aneinander. In der kalten Luft schwebte Lagerfeuergeruch. Tannen stachen aus der dichten Schneedecke und dekorierten die atemberaubende Bergkulisse.
Das Bahnhofsgebäude vor ihm hatte man aus roten Ziegelsteinen erbaut. Es war mit kleinen Erkern und dem Wappen der Kleinstadt verziert worden: einem toten Eber. Henrik betrachtete das auf dem Rücken liegende Tier, dem drei Speere aus dem Bauch ragten, mit trüben Augen. Er sah sich auf dem Bahnsteig um, auf dem jeder außer ihm ein Ziel zu haben schien.
Laute Schritte trampelten über die rauen Pflastersteine. Touristen, eindeutig. Wohlhabende Touristen in teuren Skiausrüstungen.
Mehr Sonnenbrillen als am Strand, dachte er.
Er konnte sich nicht erinnern, ob es damals schon so gewesen war. Als Kind hatte er sich für andere Dinge interessiert.
Zwei Stunden später war er im Besitz mehrerer hochwertiger Winter-Outfits und eines silbernen Prepaid-Handys. Und eines schwarzen. Und eines weißen. Er hatte sich nicht entscheiden können. Er nahm ein Taxi zu dem kleinen Chalet, das er gemietet hatte. Erklärte der Besitzerin, dass seine Eltern nachkommen würden und er solange die Stellung hielt. Er zahlte die Kaution in bar.
Henrik hoffte, dass etwas passieren würde, wenn er in demselben Haus übernachtete, in dem sie damals gewohnt hatten. Irgendetwas. Er wusste nicht, was.
Leider geschah nichts. Er schlief in der rotweiß karierten Bettwäsche so schlecht, wie er zuhause geschlafen hatte. Die Flammen aus dem riesigen Kamin konnten ihn nicht wärmen. Die Luft schien so schwer, dass er fast erstickte. Die dunkle Wohnung rief ein paar Erinnerungen wach. Aber keine Gefühle.
Seine Brust war immer noch vereist.
Also ging er am nächsten Tag in eine der Après-Ski-Hütten, gab eine Runde aus und war sofort enorm beliebt. Vor allem bei der einheimischen Jugend und bei den Touristen in seinem Alter. Die, die mit ihren Eltern hier waren. Sie nannten ihn »Henry«, ein Spitzname, den er immer bekam. Er behauptete, sein Nachname wäre Berger, der erste Name, der ihm eingefallen war. Lag vermutlich an der Bergkette hinter dem Fenster der Hütte.
Am nächsten Abend gab er eine Party, um nicht länger dem traurigen Knarren der Bodendielen lauschen zu müssen. Das machte ihn noch viel beliebter.
Er wünschte sich wirklich, er könnte sich darüber freuen.

»Henry!«
Dieser rothaarige Kerl … genau, Moritz, drängte sich durch den Trubel zu Henrik. Er ließ sich auf das Sofa plumpsen, neben Henrik und das Mädchen, das gerade schlanke Finger mit hellblauen Nägeln unter Henriks Shirt schob. Er war nicht sicher, wie sie hieß. Hatte sie sich vorgestellt?
Gleichgültig betrachtete er das Treiben. Das Lachen, Gläserklirren und die wummernde Musik. Irgendwer hatte Lautsprecher mitgebracht.
»Henry, du bist in Ordnung!«, grölte Moritz. Henrik war nicht in Ordnung, aber das schien niemand zu merken. Na ja, sie kannten ihn ja auch nicht.
»Danke, mein Freund.« Henrik prostete Moritz zu und hob gespielt vornehm eine Augenbraue.
Moritz lachte laut auf. Jemand stolperte über seine langen Beine, fing sich aber wieder. Ein Mädel, das nur eine Skihose und einen rot-schwarzen Sport-BH trug. Und sie war nicht die einzige leicht Bekleidete. Da hinten stand ein Typ, der nur ein Handtuch umhatte. Ah, sie hatten wohl die Sauna entdeckt. Henrik nahm einen Schluck von seinem Bier und fragte sich, ob es das vierte oder das fünfte war. Oder gar das achte?
»Und?« Moritz warf dem Mädel neben Henrik einen vielsagenden Blick zu. »Amüsiert ihr euch?«
»Tun wir.« Sie lächelte Moritz süßlich zu und rückte noch näher an Henrik heran. »Verzieh dich, Mo.«
»Whoah!« Moritz hob abwehrend die Hände. »Keine Panik, ich will deinen Kerl nicht klauen!« Er zwinkerte Henrik zu. »Soll ich dein Schlafzimmer räumen lassen? Sieht aus, als würdest du das gleich brauchen.«
»Wer ist denn in meinem Schlafzimmer?«, fragte Henrik und ignorierte das Nicken des Mädchens. Sie hieß Eva, erinnerte er sich. Das hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, bevor sie ihm um den Hals gefallen war.
»Alter, mindestens … fünf Leute? Hab drei Mädels gezählt und, keine Ahnung, Kerle interessieren mich nicht«, sagte er mit einem Blick auf Eva, die ihn immer noch warnend anschaute. »Echt.«
»Wer’s glaubt« Sie gähnte elegant.
Der scharfe Duft ihres Parfüms kitzelte Henriks Nase. Ihre Finger krabbelten über seine Brust. Vorsichtig packte er ihre Hand und schob sie von sich weg. Sex konnte das Eis nicht schmelzen, das wusste er. Er hatte es oft genug versucht.
»Und, kommst du morgen mit auf die Piste?«, fragte Moritz und stieß Henrik einen Ellenbogen in die Rippen. »Grigori meint, er schafft die Abfahrt am Gneislerhang, aber ich wette um hundert Euro, dass er kneift. Hältst du dagegen?«
Er streckte die Hand aus und Henrik schlug ein. Moritz jubelte. Begeisterungsfähig war der Kerl … Für einen Moment wünschte Henrik sich, wie Moritz zu sein. Auch wenn Eva ihn dann keines Blickes gewürdigt hätte.
»Falls Grigori es schafft, werd ich mich auf dein Wort verlassen müssen«, sagte Henrik leichthin. »Ich kann nicht mitkommen.«
»Waaas?« Moritz‘ Augen wurden kugelrund. »Warum nicht? Sind wir dir nicht gut genug, Monsieur Hochwohlgeboren?«
»Nein, ich kann nicht Ski fahren.«
Moritz schaute ihn an, als hätte Henrik ihm soeben verkündet, dass er an einer tödlichen Krankheit litt.
»Du kannst nicht … was?«
Zwei Jungs in teuren Pullovern stürzten auf das Sofa zu, stießen mit Henrik an, brüllten »Henry!!!« als wäre das der Name eines Fußballvereins und verschwanden wieder in der Menge. Henrik tat so, als wüsste er, wer sie waren.
»Du kannst nicht Ski fahren, Alter?« Moritz beugte sich zu ihm vor. Seine spitze Nase berührte Henriks fast. »Aber was machst du dann in Ebernau? Wir sind ein gottverdammter Skiort, wo man … halt Ski fährt. Deshalb kommt ihr Geldsäcke doch her.«
Henrik zuckte mit den Achseln. »Hab’s nie gelernt. Ist das so schlimm?«
»Ja!« Moritz war ehrlich entsetzt. »Du musst … Du musst das unbedingt lernen. Sofort. Oder, Eva?«
»Verpiss dich endlich, Mo«, brummte sie und versuchte, ihre Fingernägel über Henriks Designer-Jeans tanzen zu lassen. Er stoppte sie auf der Mitte des Oberschenkels.
»Natürlich muss er Ski fahren lernen. Henry!«
Wieder kam seine Nasenspitze näher. Henrik fragte sich, was Mo tun würde, wenn er sich ebenfalls vorbeugen und ihn einfach küssen würde. Das hatte er einmal getan, auf der Halloweenparty von … irgendwem. Nur aus Interesse. Er hatte erwartet, sich eine Ohrfeige einzufangen, aber stattdessen hatte der andere Kerl ihn zurückgeküsst. Und ihm danach nie wieder in die Augen geschaut. Es hatte ihm gefallen, damals. Aber das war früher gewesen, bevor …
»Henry! Konzentrier dich!« Moritz schnipste mit den Fingern vor Henriks Gesicht herum. »Du brauchst einen Skilehrer, Junge!«
»Brauch ich den?«, fragte Henrik kühl. Moritz schien kurz verunsichert.
»Ja … natürlich nur, wenn du willst.«
Henrik dachte nach. Er hatte damals versucht, Ski fahren zu lernen, hatte sich aber als absolute Vollkatastrophe erwiesen. Seine Mutter hatte gesagt, das hätte er von ihr. Sie war ganz und gar unsportlich …
»Klar, warum nicht?« Er zuckte mit den Achseln. »Kennst du ’nen guten Skilehrer?«
»Für … Privatstunden?«, fragte Moritz.
»Natürlich nimmt er Privatstunden.« Eva verdrehte die Augen. »Er ist nicht so ein armer Schlucker wie du, Mo. Oder wie der Rest von Ebernau.«
Zum ersten Mal huschte etwas wie Ärger über Moritz‘ Gesicht. Seine Augen blitzten Eva an. Eine Sekunde später strahlte er schon wieder. Henrik wusste, dass er mal wie Mo gewesen war. Aber jetzt brachte er nicht mal die Energie auf, sich vom Sofa zu erheben. Gut, das konnte auch am Bier liegen.
»Henry, ich kenn genau den richtigen Mann für dich. Meinen besten Freund.« Moritz nickte zufrieden. »Der bringt dir in Nullkommamix alles bei und du saust die Hänge runter wie ein junges Kaninchen.« Moritz hatte eindeutig auch einen im Tee.
»Du meinst doch nicht etwa Nils?« Evas Augen wurden schmal. »Bist du bescheuert?«
»Wieso, der ist doch super. Seine Mutter ist auch Skilehrerin. Und Nils hat seinen ganzen Geschwistern Skifahren beigebracht und was ist sein Bruder jetzt? Vize-Champion der Snowboard-Junioren oder wie das heißt.«
»Ja, aber Nils.« Eva schüttelte den Kopf. »Als Lehrer. Für … ihn.«
Ihr hellblauer Fingernagel deutete auf Henrik.
»Was ist mit mir?«, fragte Henrik. »Bin ich nicht hübsch genug?«
»Klar bist du hübsch genug«, schnurrte sie und schon lag ihre Hand wieder auf seiner Brust. »Hübsch genug für … alles.«
»Du trägst ganz schön dick auf, Eva«, sagte Mo.
Ihre Augen wurden noch schmaler. Henrik rechnete halb damit, dass Gammastrahlen herausschießen und Mo vaporisieren würden.
»Ne«, sagte Moritz. »Nils ist manchmal ein bisschen speziell, wenn … na, wenn er mit Leuten von oben zu tun hat, aber …«
»Von oben? Was meinst du damit?«
»Na, hier oben am Hang stehen die besten Hütten. Die für die Superreichen. Weiter unten sind die normalen Ferienhäuser. Und unten im Tal … Ebernau.«
»Ich bin nicht superreich«, log Henrik, aber die beiden glaubten ihm eh kein Wort. Irgendwie waren alle schwer beeindruckt von diesem Mini-Chalet mit den rustikalen Möbeln. Gut, die Einrichtung kam eindeutig von Sepp-Gerard Grachtlberger, einem der größten Möbeldesigner im Landhaus/Berghaus-Stil. Aber es gab nur drei Zimmer. Große Zimmer, okay. Das Wohnzimmer nahm fast die gesamte untere Etage ein. Trotzdem …
»Jedenfalls ist Nils ein guter Skilehrer«, sagte Moritz mit fester Stimme. »Ein sehr guter. Vielleicht sogar der beste.«
»Jetzt trägst du aber dick auf«, murmelte Eva.
»Und wenn du willst, ruf ich ihn an. Ich weiß, dass er gerade einen Job sucht. Weißt du, seine Mom …«
»Henry interessiert sich nicht für die gesamte Lebensgeschichte von Nils.« Eva stöhnte genervt auf. »Und das wird eh nichts.«
»Wird es wohl.«
»Wird es nicht.«
»Wird es …« Moritz sah Henrik an wie ein Welpe, der zu absolut allem bereit war. »Soll ich ihn anrufen?«
Henrik verspürte einen Hauch von Interesse. Was mehr war, als er seit einer ganzen Weile verspürt hatte.
»Ruf ihn an«, sagte er gnädig. Moritz sprang auf und zückte in der gleichen Bewegung sein Handy.
»Nils, Alter!«, brüllte er durch den Partylärm in das Gerät. »Ich hab einen Job für dich!«
Dann war er im Trubel verschwunden.
»Ach, du wolltest ihn nur loswerden?«, schnurrte Eva. »Das war echt clever von dir.«
»Nein.« Henrik nahm einen Schluck von seinem Bier. »Ich will Skifahren lernen.«
»Warum denn so plötzlich?« Eva machte einen Schmollmund, der bestimmt sehr sexy war.
»Ich weiß nicht. Klingt lustig, oder?« Henrik betrachtete die schwankende Meute vor seinen Augen. Oder schwankte er? Egal.
»Na ja.« Eva schien hin- und hergerissen zwischen ihrer Verachtung für Moritz und dem Wunsch, Henrik in allem zuzustimmen. »Wenn Mo ’ne Idee hat, ist sie immer schlecht.«
»Was hast du gegen Mo?«, fragte Henrik.
»Er ist nicht du.« Sie lächelte. Als er nicht reagierte, blinzelte sie verunsichert. »Na, er ist … ein Dorftrampel. Ich weiß, ich weiß, Ebernau ist angeblich eine Kleinstadt. Da sind wir super-stolz drauf.« Sie schnaubte verächtlich. »Aber die Jungs hier kannst du vergessen. Die interessieren sich nur fürs Saufen und so.«
Henrik betrachtete die fast leere Bierflasche in seiner Hand.
»Wenn du trinkst, ist das was anderes«, beeilte sie sich, zu sagen. »Du bist so … kultiviert. Man sieht dir das irgendwie an. Dass du … du weißt schon.«
»Dass ich Geld habe?« Seine Stimme war ausdruckslos. Was tat er hier überhaupt?
»Nein! Dass du … Kultur hast.« Sie schmiegte sich an ihn und er rückte ein Stück ab. Versuchte es zumindest. Plötzlich saß ein weiteres Mädchen neben ihm. Ihre Haare waren so hellbraun und glatt wie Evas. Einen Moment lang hielt er sie für Zwillinge, bis er die Unterschiede in ihren Gesichtern erkannte. Das neue Mädel reichte ihm eine grüne Flasche, an der Feuchtigkeit abperlte.
»Für dich.« Sie grinste frech. »Prost, Henry!«
Er nickte und stieß mit ihr an. Neben sich spürte er eine Wolke aus purem Hass. Eva lehnte sich über ihn, so weit, dass er die Tätowierung auf ihrem Rücken erkannte. Die spitzen Blüten einer Christrose schauten unter ihrem Shirt hervor.
»Was willst du hier?«, zischte sie. Wie eine Raubkatze, die sich mit einer anderen um ein fettes Stück Fleisch stritt.
»Sitzen.« Das neue Mädel grinste noch breiter. Ihre weißen, leicht unregelmäßigen Zähne blitzten. Noch eine von »unten« vermutlich. Ob jemand Geld hatte, konnte man meist an der Qualität ihrer Kieferorthopäden erkennen.
»Setz dich woanders hin«, blaffte Eva. Die Andere beachtete sie nicht.
»Hi, ich bin Amelie.« Ihre Schulter stieß gegen Henriks. »Wie in dem Film, weißt du?«
»Aha.« Er nahm einen Schluck aus der neuen Flasche. Eiskalte Flüssigkeit rann seine Kehle hinunter.
»Super, Trampelie«, zischte Eva. »Du hast dich vorgestellt. Und jetzt verpiss dich.«
»Oder was?« Amelie verschränkte die Arme und sah Eva herausfordernd an.
»Oder ich zerr dich an den Haaren raus.«
»Ha!« Amelie lachte rau. »Das will ich sehen.«
»Wirst du gleich, wenn du nicht aufpasst. Ich kann dich hier genauso schnell rauswerfen, wie ich heute Mittag an dir vorbeigezogen bin.«
»Einen Scheiß bist du.« Amelies pink glänzende Lippen verzogen sich spöttisch. »Dir hab ich doch die Fresse gepudert. Du hast ausgesehen wie ein Schneemann. Na, oder wie eine Schnee-Kuh.«
Sie stritten sich hin und her und ignorierten Henrik, was ihm ganz recht war. Er konnte eh nicht folgen. Es ging um irgendeine Ski-Rivalität, aber all die Fachausdrücke waren ihm fremd. Gab es eine Art Ski-Slang? Vermutlich.
Er wusste nicht, wie lange die beiden links und rechts von ihm saßen und sich über seinen Kopf hinweg mit Worten duellierten. Recht hässlichen Worten zum Teil. Irgendwann hörte er nicht mehr zu. Gab sich ganz dem Rausch hin, den dröhnenden Bässen, dem sanften Murmeln aus fünfzig Kehlen, dem lieblichen Klirren der Gläser …
Plötzlich stand Moritz vor ihm und brüllte ihm ins Gesicht.
»Henry!« Er strahlte. »Wach auf, ich hab deinen Skilehrer mitgebracht. Das ist Nils.«
»Hmwas?« Henrik blinzelte.
Ein Gigant schälte sich aus der Menge. Ein dunkelblonder Gigant. Breitschultrig und mächtig, dessen abgetragene, schwere Stiefel über den Holzboden polterten, als würde er über ein Schlachtfeld schreiten. Ungefähr so missmutig, als würde er in den Krieg ziehen, sah er auch aus.
Der verächtliche Blick des Kerls wanderte über die Feiernden, als wollte er ihnen allesamt den Hals umdrehen. Er hatte helle Augen. Hellgrüne. Lindgrüne, die Farbe von jungen Blättern … Henriks Kopf rutschte zur Seite und der Wikinger … ja, er sah aus wie ein Wikinger, dem man versehentlich einen Haarschnitt verpasst hatte … ging plötzlich waagerecht.
Henrik blinzelte. Der Typ war vor ihm stehengeblieben. Ha. Von nahem sah er jünger aus. Kaum jünger als Henrik selbst. Konnte das sein? Dann wäre er … achtzehn. Ne, das konnte nicht …
Henrik richtete sich auf. Starrte diesen Nils müde an. Moritz deutete auf ihn, als würde er eine Kirmesattraktion präsentieren.
»Nils ist der beste Skilehrer von ganz Ebernau. Mindestens.«
»Hallo«, sagte Henrik kraftlos. Irgendetwas war anders an dem Kerl. Irgendetwas … Moritz stemmte die Hände in die Hüften.
»Na, was sagt ihr? Nils?«
Der durchbohrte Henrik mit seinem stechend grünen Blick. Seine Lippe verzog sich, als wollte er die Zähne fletschen.
»Was ist denn das für ein Arschloch?«, knurrte er.
Mit einem Mal wurde es ruhiger. Die Mädels, die sich anscheinend weiter gestritten hatten, verstummten. Moritz starrte seinen Kumpel an.
»Mann, Nils«, zischte er. »Ich hab dir gesagt, dass er in Ordnung ist.«
»Er ist ein Arschloch.«
Bitte? Doch, Nils deutete ganz klar auf ihn. Henrik.
Der richtete sich auf.
»Nils …« Moritz schien die Situation sehr unangenehm zu sein. »Er ist wirklich okay. Und er sucht einen Skilehrer.«
»Kein Interesse.«
Und dann drehte dieser Nils sich einfach um und stapfte davon. Die wogende Menge verschluckte seinen Körper und sie sahen nur noch seinen Schädel, der sich auf die Tür zubewegte.
»Ich hab’s dir gesagt«, flötete Eva.
»Ach, Scheiße!«, rief Moritz. »Henry, ich …«
Henrik erhob sich schwankend. Was erlaubte dieser … Depp sich? Er war überhaupt kein Arschloch! Und selbst wenn … Wie sollte man das mit einem Blick erkennen?
»Henry!«, rief Moritz, als er an ihm vorbeistürmte. »Wo willst du hin?«
»Diesen Wichser zurückholen«, knurrte Henrik. Oder lallte er? »Wenn der glaubt, er kann mich einfach beleidigen, dann hat er sich geschnitten.«
Er zögerte.
»Und wenn er denkt, er kann einfach so … nicht mein Skilehrer werden, auch.«

 

So sieht’s aus! 😀 Frohes Fest euch allen!

Geht’s noch süßer?

ddb9e6a4515412bd32838c8ca25dcf5cCopyright Photo: lauramusikanski@Morguefile.com

Die Rohfassung von „Tiefgekühlt“ ist fertig! Wenn alles gut geht, kommt das noch vor Weihnachten raus. Und diesmal habe ich hemmungslos mit  Schmalz und Zucker um mich geworfen. Weil’s einfach passte. Und ich Lust darauf hatte. Normalerweise versuche ich, den größten Kitsch elegant zu umschiffen, aber diesmal … bin ich mit Freude mittendurch gerast. Und hab’s genossen, zur Hölle! 🙂

Heutiger Wordcount: 3.801 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 62.717 Wörter

Lieblingsstelle heute:
Er seufzte leise. Vor einem Jahr hätte er sich nicht vorstellen können, je so glücklich zu sein. Aber nun …

Zuckersüß

Uuaaaah, heute wurde es so romantisch!!!! Das große Finale (das richtige!) mit soviel Gefühlen und Geständnissen und Zucker. 🙂 Einfach nur … schön. Morgen schreibe ich dann das letzte Kapitel und den Epilog und … hach, dann heißt es Abschied nehmen. Aber wer weiß, diesmal wäre durchaus eine Fortsetzung drin. Bei „Plötzlich Prinzgemahl“ überlege ich auch, ob ich einfach weitermache. Offene Handlungsstränge gibt’s ja genug.

Übrigens, wer es noch nicht gelesen hat: „Herzweh und Zahnklopfen“ von Jona Dreyer ist sehr empfehlenswert. Ich habe es auf dem Rückweg von Berlin in zwei Stunden durchgesuchtet. 🙂 Durchgeknallte Komödien sind einfach das Beste!

Letzte News für heute: Die Printversion von „Prinzgemahl“ (Printgemahl, höhö) ist fast fertig. So sieht das Rundum-Cover aus:

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Die ISBN hab ich noch nicht, daher ausgegraut.

Heutiger Wordcount: 5.183 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 58.916 Wörter

Lieblingsstelle heute:
»Ich bin wegen dir hier«, wiederholte er, in Henrys Schulter gemurmelt. »Nur wegen dir.«

Zurück im Alltag

Heute habe ich ausgeschlafen, geschrieben und Kekse gegessen. Unspannend, aber nach dem Wochenende eine fantastische Abwechslung. Und ich habe dieses feine Foto von meiner Lesung bekommen:

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Brille, Mikro und Buch? Ganz langsam glaube ich auch, dass ich eine echte Autorin bin. 🙂

Heutiger Wordcount: 3.375 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 53.733 Wörter

Lieblingsstelle heute:
Als Jonathan ihn endlich herunterließ, hatte Henrik Tränen in den Augen. Livia auch.
»Ich bin so froh, dass du zurück bist.« Sie schniefte. »Du Muttersöhnchen.«

Tempo!

Die Romanze von Nils und Henry entwickelt sich. Geht voran. Ich glaube, der sehr langsame Start ist überwunden und jetzt … geht es immer rasanter weiter. Frag mich, ob sich das Lesen später anfühlt wie das Lied hier:

Vielleicht bekomme ich auch schlechte Rezis, weil es so lange dauert, bis etwas zwischen den beiden passiert und dann plötzlich alles auf einmal geschieht. Oder gute, wegen der stetigen Steigerung. Oder, die wahrscheinlichste Möglichkeit: Es kommt darauf an, wer das liest und was für einen Geschmack derjenige hat. Na, mein Schreibpensum für heute ist geschafft. Ich male noch ein wenig am „Prinzgemahl“-Cover herum und gehe dann heim. 🙂

Heutiger Wordcount: 4.450 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 20.029 Wörter

Lieblingsstelle heute:

»Was macht dir denn Spaß?«, fragte Henrik. Nils öffnete den Mund, um zu antworten, sah ihn an … und errötete.
»Nichts«, brummte er.
»Du bist ein furchtbarer Lügner«, murmelte Henrik. So leise, dass die lärmenden Kinder um sie herum nichts mitbekommen konnten. »Nur, dass du’s weißt: Mir hat es auch Spaß gemacht. Ich würde es jederzeit wieder tun.«
»Sei ruhig.« Hektisch sah Nils sich um. »Und jetzt runter mit dir.«

Langsame Romantik

Ein wunderbarer Schreibtag. Die Protas streiten sich und die Geschichte schreitet voran. Sehr langsam entwickelt sich was … sehr, sehr langsam. Das ist die gemächlichste Annäherung seit Funkenflut, glaube ich. Aber auch mal eine feine Abwechslung, nachdem es in den letzten Büchern immer so schnell zur Sache ging. 10.000 Wörter und kein erster Kuss in Sicht.

Heutiger Wordcount: 3.641 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 11.041 Wörter

Lieblingsstelle heute:

»Warum nicht? Guck doch mal, wie du mich behandelst. Wie du hier reingeschneit bist, als würde der Laden dir gehören. Wie sich die Mädels um dich gestritten haben, gestern, und dir das am Arsch vorbeigegangen ist. Streiten sich die ganze Zeit Mädels um dich?«
»Bist du neidisch?« Eine breite Augenbraue hob sich. »Ich glaube nicht, dass du Probleme mit Mädchen hast, oder?«
Nils zuckte zusammen. Er konnte nicht anders. Hatte dieser Kerl …
»Wie meinst du das?«, zischte er. Henry deutete auf Nils‘ Brust, die die Knöpfe seines Hemdes fast sprengte.
»Na, du siehst echt gut aus.« Henry biss erneut in sein Rühreicroissant. »Wie ein Wikinger oder so. Ich dachte, Frauen stehen auf sowas.«