„Ebernau 4: Winterchaot“ Leseprobe und Cover

Ebernau 4 ist da! Joshs Geschichte heißt (natürlich!) „Winterchaot“ und ist, meiner bescheidenen Meinung nach, der krönende Abschluss der Reihe. Ich mag ihn einfach. 🙂

Ab sofort und für immer erhältlich auf Amazon und demnächst auch als Print. Und nun zum Klappentext:

Der letzte Winter – diesmal in Überlänge!

Zwei ältere Brüder zu haben ist hart. Vor allem, wenn man Josh Winter heißt, beide Brüder schwul sind und einem deshalb alle unterstellen, auch schwul zu sein. Dabei ist Josh doch in Anna verliebt! Anna, die sich leider nur für den Neuen in Joshs Klasse interessiert.
Lucian ist alles, was Josh nicht ist: wunderschön, cool, aus der Großstadt, in einer Band … und von einem düsteren Geheimnis umgeben. Irgendwie muss Josh ihn doch ausstechen können, oder? Selbst ein kindischer Chaot wie er muss in irgendetwas besser sein als dieser arrogante, viel zu attraktive Kerl, der selbstverständlich überhaupt keine kribbligen Gefühle in Josh weckt. Er steht ja nicht auf Männer. Überhaupt nicht.
Aber was ist mit Lucian?

Enthält: Kröten, kreative Maltechniken, Missverständnisse, Männererotik und die langsamste Liebesgeschichte von ganz Ebernau.

LESEPROBE:

1. Ärger

Der Neue betrat die Klasse und Josh Winter wusste, dass er ein Problem hatte. Nein, eigentlich wusste er es zwei Sekunden später, als er Anna leise keuchen hörte. Anna mit den wunderschönen Bernsteinaugen und der süßen Stupsnase. Anna, in die Josh seit Monaten verliebt war. Leider war sie nicht in ihn verliebt. Wirklich nicht. Er hatte sie gefragt. Und ihre Antwort war genau die gewesen, die er gefürchtet hatte.

»Na ja.« Sie hatte, halb erfreut, halb peinlich berührt, zu Boden gesehen, als er ihr seine Gefühle gestanden hatte, auf der Silvesterparty von Dean. Lärm, Rauch und bierseliges Grölen waren bis in das Nebenzimmer gedrungen, in dem sie allein gewesen waren. »Weißt du, Josh, du bist nett, aber … mehr so wie ein Bruder oder ein … Kumpel. Sorry, ich weiß, wie das klingt. Und, also, du weißt schon.«
»Was weiß ich?«, hatte Josh hervorgebracht, obwohl sein Brustkorb sich angefühlt hatte, als hätte Anna die Rippen auseinandergebogen und sein Herz mit einem Akkuschrauber bearbeitet.
Sie fuhr sich durch die wunderschönen braunen Haare. »Ich hätte eh Angst, dass du nachher doch schwul bist.«
»Ich bin nicht schwul«, hatte er gekrächzt, ungefähr zum hunderttausendsten Mal in seinem Leben.
»Deine ganze Familie ist schwul.«
»Gar nicht wahr«, hatte er gesagt. »Meine Schwester ist lesbisch.«
Anna hatte ihn angesehen, als würde das ihr Argument noch bekräftigen. Ihr niedlicher Mund hatte sich verzogen und sie hatte sich die echt superhübschen Augen gerieben.
»Ich könnte einfach nie sicher sein. Und … Du weißt schon.«
Er wusste es wieder nicht. »Was?«
»Du siehst irgendwie aus wie so ein Rothaariger.«
Josh hatte sich eine Strähne seines Haares vor die Augen gezogen, um zu überprüfen, ob sie in den letzten Stunden spontan die Farbe gewechselt hatten. Hatten sie nicht. Immer noch waren sie dunkelschlammbraun.
»Ein Rothaariger, der sich die Haare gefärbt hat«, beeilte sie sich, zu sagen. »Mit deinen Sommersprossen und so. Ich meine, das ist nicht schlimm, aber … irgendwie nicht sexy.«
»Oh.«
»Und außerdem …«
Josh war zurück auf die Party getaumelt, bevor ihr noch mehr Mängel einfallen konnten.
Zwischen den lärmenden und saufenden Leuten, die auf das neue Jahr angestoßen hatten, war er auf einen Sessel gesunken und hatte versucht, nicht zu heulen. Hatte weitestgehend geklappt. Zum Glück war die Luft so rauchgeschwängert gewesen, dass seine feuchten Augen normal gewirkt hatten. Dean war vorbeigetorkelt und hatte Josh gewünscht, dass er im nächsten Jahr einen netten Kerl kennenlernen würde. Am besten schnell. Josh wusste, dass Dean mit allen möglichen Leuten eine Wette darüber abgeschlossen hatte, wann Josh sich endlich outen würde. Anscheinend hatte er auf Anfang Januar getippt.
Es war eine beschissene Art gewesen, das neue Jahr zu beginnen.

Aber heute Morgen, am ersten Tag nach den Sommerferien, war Anna Josh auf dem sonnenüberfluteten Hof begegnet. Total hübsch in ihren Jeansshorts und dem grauen Shirt. Sie hatte ihm zugelächelt.
»Josh«, hatte sie im Vorbeigehen gerufen. »Gut siehst du aus!«
Sein Herz hatte so wild gehämmert, dass er es nicht geschafft hatte, zu antworten. Oder ihr zu sagen, dass sie noch viel, viel besser aussah. Tat sie nämlich. Eigentlich hatte er beschlossen, sie zu vergessen, jetzt, endlich, aber … er hatte sich nicht gegen die Hoffnung wehren können, die sich in ihm ausgebreitet hatte.
Und dann, in der ersten Stunde, hatte sie sich neben ihn gesetzt und ihm von ihren Ferien erzählt und es war absolut magisch gewesen, wie sie von ihrem Mallorca-Urlaub berichtet hatte. Wie ihr sanfter Duft nach Honigshampoo und Sonnencreme zu ihm hinübergeweht war. Joshs ganzer Körper hatte gekribbelt vor Glück.

Dann war alles schiefgegangen.

»Darf ich Ihnen Ihren neuen Mitschüler präsentieren?«, schnarrte Herr Fußinger deprimiert. Er verkraftete das Ende der Sommerferien stets am schlechtesten. »Lucian Grahl.«
In einer Kleinstadt wie Ebernau gab es selten Neuzugänge, also starrten alle den Kerl an, als wäre er eine totale Sensation. Aber das war nicht der einzige Grund: Der Neue war der attraktivste Mann, den Josh je gesehen hatte. Nein, er war nicht plötzlich doch schwul geworden. Er hatte einfach Augen im Kopf.
Der Typ, der vollkommen gelassen nach vorne schlenderte, müde grinste und »Hi«, sagte, sah aus, als wäre er irgendeinem Bandplakat entsprungen. Komplett schwarz gekleidet, mit dunklen, welligen Haaren, geschwungenen Lippen, breiten Schultern und einer so schmalen Taille, dass die Hose bestimmt nur hielt, weil sie viel zu eng war.
Anna keuchte auf und Josh wusste mit absoluter Sicherheit, dass er den Neuen bis ans Ende seines Lebens hassen würde. Er wagte es kaum, den Kopf zu wenden. Als er es doch tat, wünschte er sich, er hätte es gelassen. Annas Augen glänzten wie 1000-Watt-Scheinwerfer, während sie den Trottel anschmachtete. So wie alle Mädels der Klasse. Aber die anderen konnten so viel starren, wie sie wollten. Nur Annas offensichtliche Begeisterung schmerzte. So stark, dass Josh einen Moment lang nicht atmen konnte.
Du blöder Mistkerl, dachte er und sah den Neuen aus zusammengekniffenen Augen an. Der blickte nicht zurück. War wohl zu arrogant.
Er schien überhaupt kein Problem damit zu haben, angestarrt zu werden. Vermutlich war er das gewohnt, der Angeber. Vollkommen ruhig steckte er die Hände in die Hosentaschen und wartete darauf, dass Herr Fußinger ihn ausführlicher vorstellte. Ein Tattoo ragte aus dem Ausschnitt von Lucians dunklem Shirt. Josh erkannte einen schwarzen Kreis, zwei Fühler und die leeren Höhlen eines Totenschädels. Seltsam, warum kam ihm das bekannt vor?
Er sank in seinem Stuhl zusammen und wollte nur noch heim. Anna seufzte leise.
»Lucian ist mit seinen Eltern nach Ebernau gezogen und wird das letzte Schuljahr mit uns verbringen«, murrte Fußinger. »Er kommt aus Hamburg.«
Auch das noch. Eine richtige Großstadt. Josh sah aus den Augenwinkeln, wie seine Klassenkameraden sich vorbeugten. Nur Dean und Dennis lümmelten sich extra-selbstbewusst in ihren Stühlen und sahen den Neuen abschätzig an. Er beachtete sie nicht.
»Lucian, erzähl halt was über dich.« Herr Fußinger schleppte sich zu seinem Pult und setzte sich, langsam wie ein Achtzigjähriger. Dabei war er erst Anfang dreißig. Einmal war Josh ihm auf dem Weihnachtsmarkt begegnet, und sein Lehrer hatte mit glühweingeschwängertem Atem geklagt, dass er sich seinen Job so nicht vorgestellt hatte. Er zähle die Tage bis zur Rente. Mussten noch viele sein, so wie er sich die Augen rieb und seufzte.
Lucian kratzte sich am bloßen Arm und sah an die Decke. Selbst das wirkte nicht unsicher, sondern cool. Ja, der Drecksack schien umgeben von einer undurchdringlichen Rüstung aus Coolness.
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, sagte er und natürlich war seine Stimme dunkel, voll und melodisch. Blödi. »Meine Eltern haben die alte Metzgerei übernommen und richten da eine Kunstgalerie ein. Meine Mutter kommt aus Ebernau. Ich war leider nur einmal hier, und da war ich noch ganz klein, aber jetzt bleiben wir. Wir müssen uns um meine Oma kümmern, weil sie nicht mehr ganz fit ist.«
Anna seufzte erneut. »Wie lieb«, hörte Josh von weiter hinten. Sein Kopf sank auf die verschränkten Arme. Hoffnungslosigkeit machte sich in ihm breit.
»Ich, hm, spiele Gitarre und habe in Hamburg Capoeira gemacht. Weiß nicht, ob ich damit hier weitermache oder mir was anderes suche. Mal sehen, was Ebernau so zu bieten hat.« Wieder dieses unverschämte, schräge Grinsen. Weiße Zähne. Schwarze Augen.
Wie ein Hai, dachte Josh trübselig.
Der Neue zuckte mit den Achseln. »Habt ihr irgendwelche Fragen?«
Drei Hände schossen hoch. Anna sprach, bevor es irgendjemand sonst tun konnte.
»Du bist in dieser Band, oder? Die, die beim Summer Open Air in Ravensburg aufgetreten ist? Ich hab euch gesehen!«
Nein! Josh schluckte. Der Neue fuhr sich durch die Haare, als wäre es ihm irgendwie peinlich. Er sah zu Boden.
»Ja, das waren wir. Iguana Bullet. Wir hatten echt Glück in diesem Jahr.« Er verzog das hübsche Gesicht. »Wir hatten jede Menge Gigs und haben ’ne Menge Festivals gespielt. Kein Wunder, dass ich sitzengeblieben bin.«
»Sitzengeblieben? Du bist schon achtzehn?« Annas Stimme war ein andachtsvolles Flüstern. Lucian nickte.
Josh war schlecht. Er war auch achtzehn und ein Sitzenbleiber, aber irgendwie hatte das Anna nie beeindruckt. Vielleicht, weil er nicht sitzengeblieben war, weil er über coole Festivals getourt war, sondern weil er ein planloser Chaot war, der dauernd seine Hausaufgaben vergaß.
Fünf weitere Hände schossen in die Höhe. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Eine Begeisterung, die er hier noch nie erlebt hatte, packte jeden einzelnen von Joshs Klassenkameraden.
»Wart ihr nicht sogar in den Charts oder so?« Monas Augen waren rund wie Suppenteller.
»Nur kurz«, sagte Lucian.
Hör auf, so bescheiden zu tun, dachte Josh.
»Wie lange?«, fragte Dennis und gab sich Mühe, höhnisch zu klingen.
»Fünf Wochen. Die höchste Platzierung war, glaube ich, die Nummer zwölf.« Wieder erschien das schräge Grinsen. »Wolf, unser Schlagzeuger, war stinksauer, dass er so einen kommerziellen Scheiß-Song geschrieben hat.«
Gelächter. Helles Kichern von Anna. Der Raum stank vor Bewunderung. Josh versuchte, mit seinem Tisch zu verschmelzen und in eine andere Dimension zu versinken. Anna hob wieder die Hand.
»Wie fühlt sich das an, wenn man auf einer Bühne steht?«, fragte sie. Ihre Stimme war ein einziges Seufzen.
»Oh, gut«, sagte Lucian. »Verdammt gut.«
»Was für andere Bands habt ihr getroffen, Lutschen?«, fragte Bastian.
»Lucian«, korrigierte Lucian, als hätte er das schon tausendmal gemacht. »Also, in Ravensburg standen wir mit Hamster of the Week auf der Bühne und …«
Der Rest der Stunde wurde nicht besser. Lucian badete in der Bewunderung der Klasse und Josh wurde deutlich vor Augen geführt, dass der Neue ihm in absolut allem überlegen war. In wirklich allem. Er hätte sein rechtes Bein dafür gegeben, dass Anna ihn nur einmal so ansah wie Lucian. Sein einziger Trost war, dass eine Hälfte der Klasse Lucian »Lutschen« nannte und die andere »Luschen«. Ein sehr schwacher Trost. Josh hätte ihn gern »Lusche« genannt, aber der Neue konnte ja nichts dafür, dass Anna auf ihn stand. Und Anna konnte nichts dafür, dass sie auf den Neuen stand. Wie hätte sie nicht auf ihn stehen können?
Josh seufzte leise.
Das wird ein beschissenes Schuljahr, dachte er.

2. Frisch eingetroffen

Ehrlichkeit ist das erste Kapitel im Buch der Weisheit. Das hatte Lucians Vater gesagt. Okay, eigentlich hatte Thomas Jefferson das gesagt, aber Lucians Vater hatte ihn zitiert. Und Lucian wollte ehrlich sein, auch wenn es ihm eine Höllenangst einjagte. Selbst wenn sein Nacken von kaltem Schweiß bedeckt war, während er vor seiner neuen Klasse stand. Die wirkten ganz nett. Neugierig, klar, aber nur die zwei blonden Typen ganz hinten sahen ihn irgendwie feindselig an. Da war Lucian Schlimmeres gewohnt.
Es gab noch einen anderen, der ihn nicht mit strahlenden Augen anblickte: Der niedliche Braunhaarige, der am Fenster saß und schaute, als würde er sich am liebsten von einer Brücke stürzen. Was der wohl hatte?
Lucian erzählte irgendwas darüber, warum er hier war, und stellte sich vor, dass er auf der Bühne stehen würde. Das half gegen die Nervosität. Er war immer noch zittrig, aber man merkte es ihm nicht mehr an.
Wenn jemand fragt, sage ich die Wahrheit, dachte er. Ich verstecke mich nicht mehr.
Das Mädchen im grauen Top hob die Hand und stellte eine Frage. Nicht die, die er heimlich fürchtete, aber eine, die er genau so wenig beantworten wollte.
»Du warst in dieser Band, oder?«
Er seufzte innerlich. Ach, das. Aber er sagte die Wahrheit, echt und ehrlich. Plötzlich glotzten ihn alle an, als wäre er … irgendetwas, aber auf keinen Fall ein Mensch. Ein Halbgott, hatte John, ihr Sänger, gesagt. Der freute sich über die Aufmerksamkeit. Lucian wäre ganz gern mal wie ein normaler Mensch behandelt worden, aber anscheinend bestand die Welt darauf, ihn entweder als einen Star oder als totalen Dreck zu sehen. Selbst die beiden Blonden wirkten beeindruckt. Nur der Braunhaarige behielt seine deprimierte Miene bei. Lucian mochte ihn.
»Habt ihr euch getrennt, oder warum bist du hier?«, fragte einer der Blonden, in einem schwachen Versuch, ihn zu provozieren. »Also du und deine Band. Du kannst ja schlecht touren, wenn du bei uns bist, oder?«
Lucian schenkte ihm einen verächtlichen Blick. »Wir machen ein Jahr Pause. Wegen dem ganzen Touren haben wir alles andere vernachlässigt. Jetzt müssen wir das erstmal nachholen. John und ich holen das Abi nach, Medos macht seine Ausbildung fertig und Wolf seinen Bachelor. In einem Jahr geht’s weiter.«
»Ach so.« Das Mädel im grauen Top bekam Sternchenaugen. »Dann schreibt ihr neue Songs und so?«
Lucian nickte.
»Über jemand Speziellen?«, fragte sie. Eins der anderen Mädels kicherte spöttisch. Ihre Freundin fiel ein und die im grauen Top wurde rot. Lucian räusperte sich.
»Mal sehen. Kommt drauf an, was bis dahin passiert.« Ups. Klang das, als würde er mit ihr flirten? Ihre Wangen färbten sich noch röter und er fürchtete schwer, dass es so war.
Lucian, du Volltrottel, dachte er.
Als er sich endlich setzen durfte, war sein Rücken schweißnass. Vermutlich sah man es auf dem schwarzen Shirt nicht und außerdem war es eh sauheiß im Raum. Die Luft, die durch die gekippten Fenster drang, schien aus einem Fön zu kommen.
Natürlich hatte er als Neuer einen Platz ganz vorne bekommen. Der bebrillte Typ, der neben ihm saß, starrte ihn den Rest der Stunde über unauffällig an. Immerhin schwieg er.

Die Ruhe währte nur kurz. Kaum war die Stunde vorbei, bildete sich eine Traube um Lucians Tisch.
»Bist du reich?«, fragte ein ausgesprochen hübsches Mädchen. »Ich meine, mit den Touren und so … Habt ihr da viel verdient?« Ihre Augen glänzten wie Goldbarren.
»Leider nein. Bei einem guten Sommer und einem mittleren Hit kommt nicht so viel rum.« Er zuckte mit den Achseln und packte seinen Rucksack. »Dabei hätte ich nichts dagegen, Porsche zu fahren.«
Sie kicherte. »Und deine Freundin?«, fragte sie und strich betont gelangweilt die rotblonden Haare hinters Ohr. »War die traurig, als du so lange auf Tour warst?«
»Ich hab keine Freundin«, sagte Lucian und holte tief Luft. Gleich, dachte er. Du schaffst das, du alter Feigling.
Augen blitzten um ihn herum auf wie Sterne in der Nacht. Gleich.
»Oh.« Die Rotblonde versuchte, betrübt auszusehen. »Wie schade. Hättest du gern eine? Was für Mädchen magst du?«
»Gar keine.« Lucians Eingeweide krampften sich zusammen. Er wusste, dass er äußerlich vollkommen gelassen wirkte, aber innerlich bestand er nur noch aus harter, starrer Anspannung. »Ich mag Männer.«
Schweigen. Sterne erloschen. Irritiertes Blinzeln aus einem halben Dutzend Augenpaaren. Lucian zwang sich, ruhig zu atmen. Er spürte das feuchte Holz unter seiner Handfläche und die nasse Rückseite seines Shirts und die abartige Hitze, die von draußen über seine nackten Arme floss. War es überhaupt so heiß oder lag das an der Aufregung?
»Ach … so.« Dem rotblonden Mädchen schien nichts mehr einzufallen. »Na dann.«
»Und, äh, hattest du in Hamburg einen Freund?«, fragte eine andere schließlich.
Lucian zuckte mit den Achseln. Er war vollkommen fertig von all dieser Ehrlichkeit. Mehr war gerade einfach nicht drin.
»Was haben wir als nächstes?«, fragte er statt einer Antwort.
»Äh. Musik. Aber das ist nicht hier.« Sein bebrillter Nachbar räusperte sich. »Das ist im Musikzimmer.«
»Gut. Bis gleich.« Lucian lächelte und marschierte an ihnen vorbei. Seine Knie fühlten sich an wie nasse Watte, sein Herz wie ein hyperaktiver Wecker. Aber er hatte es geschafft.
Nicht schlecht, dachte er und genehmigte sich einen Seufzer, sobald er aus der Tür getreten war. Nun wussten es schon doppelt so viele Leute wie bisher. Und er hatte keinen Zweifel daran, dass die Zahl sich exponentiell erhöhen würde. Bis morgen wusste vermutlich jeder Bescheid. Und dann?
Es wird nicht wie damals, dachte er. Ganz bestimmt nicht. Das war … Pech. Und selbst wenn, jetzt kann ich damit umgehen. Ich bin jetzt ein Anderer. Ich bin jetzt stärker und der Erste, der mich auch nur blöd anquatscht, kriegt ’nen Nasenbruch vom Feinsten.
Lucian schluckte. Panik drängte seine Kehle hoch. Nein. Es würde diesmal ganz anders werden. Und er würde ehrlich sein.
Er fand die Toilette und kippte sich so lange kaltes Wasser ins Gesicht, bis er wieder ruhig war. Fast ruhig. Ein wenig ruhiger zumindest. Die Glocke läutete. Wo war eigentlich dieses Musikzimmer? Hätte er jemanden fragen sollen, statt cool davonzuschlendern? Warum fiel ihm so etwas immer erst nachher ein?
Etwas hilflos sah er sich im Flur um. Ganz hinten entdeckte er eine kleine Gruppe und registrierte mit Freude, dass er die Gesichter kannte. Es waren das Mädel im grauen Top, zwei andere und der deprimierte Dunkelhaarige. Den fand er eh sympathisch. Der Typ schien gerade in eine hitzige Diskussion mit dem blonden Kerl vor ihm vertieft zu sein.
Lucian näherte sich. Das Mädel im grauen Top bemerkte ihn. Sie tippte dem Dunkelhaarigen auf die Schulter und deutete auf Lucian. Der fuhr herum. Sein Gesicht war knallrot, die Lippen ein weißer Strich. Oh, er hatte Sommersprossen. Ziemlich süß.
»Hi«, sagte Lucian und lächelte.

Fertig!

Eigentlich bin ich am Freitag abend schon mit der Rohfassung von „Josh“ fertig geworden. 🙂 Lieblingsstellen gibt es keine mehr wegen Spoilergefahr. Und das Manuskript hat tatsächlich rund 88.000 Wörter. Bei der Überarbeitung gehen immer ein paar verloren, aber … Glückwunsch, Josh! Das sind über 20.000 mehr als geplant. Ich hätte ahnen müssen, dass ausgerechnet du überziehst. Wenn alles gutgeht, kommt das E-Book aber noch vor Weihnachten raus. 🙂

Ein guter Schreibtag

Gestern habe ich dank offizieller Ankündigung auf Facebook (und der daraus resultierenden potentiellen Blamage) über 6.000 Wörter geschafft. Mit Timer zu schreiben funktioniert einfach am besten. Heute wird es wohl nicht so viel, weil ich die 6.000 Wörter überarbeiten muss. Tippfehler zu verbessern ist ziemlich nervig, vor allem, wenn man so viele macht wie ich.
Luciens Familie bekommt einen unerwartet langen Auftritt. Auch mal nett, dass beide Protagonisten liebende Familien haben, die sie unterstützen (meistens). Die Story ist auf der Zielgeraden. Jetzt muss ich nur noch den Dominosteinen beim Umfallen zuschauen. Entspannt. Und ich habe mich damit abgefunden, erst kurz vor Weihnachten zu veröffentlichen. Auch wenn das heißt, dass ich etwas weniger verdiene, weil alle etwas anderes im Kopf haben als meine Bücher zu lesen. 🙂

Wordcount heute: 6.803 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 77.575 Wörter

Lieblingsstelle:
Omi schaute erstaunt. »Ist ja schon gut. Dann sag’s ihm halt.«
»Will ich doch gar nicht.«
»Lucy, du bist ein elender Feigling.« Sie schnalzte wieder mit der Zunge. »Jetzt reiß dich halt zusammen und rück mit der Wahrheit raus.«
»Was soll das bringen?«
»Danach könntest du immerhin wieder in den Spiegel schauen, du Hasenfuß.«
Luciens Mutter legte ihre Hand auf Omis. »Nun ist aber gut, Mama.«
»Dein Sohn ist ein Hasenfuß, Bettina.«
Eine Falte erschien zwischen den Augenbrauen seiner Mutter. »Lucy, als dein Opa vorbeigekommen ist, um deine Oma zu ihrer ersten Verabredung abzuholen, hat sie sich im Wandschrank versteckt.«
»Da hätte ich auch bleiben sollen«, murrte Omi. »Der elende Nichtsnutz hat hier nie einen Handschlag getan. Lucy, deine Mutter hat sich erst nach einem Jahr getraut, deinem Vater zu sagen, das sie ihn auch liebt.«
»Was, so lange hast du gewartet?«, fragte Lucien seinen Vater.
Der lächelte selig. »Hat sich ja gelohnt. Außerdem hab ich zwei Jahre lang die Verlobungsringe mit mir rumgetragen, weil ich Schiss hatte, dass sie Nein sagt.«
Lucien sah vom einen zum anderen. »Wir sind alle Feiglinge?«, fragte er. »Ist das vererbbar?«

Das Übliche

Halb schreiben, halb Illu-Jobs. So werde ich aber nicht bis Freitag fertig. 🙁 Morgen versuche ich mal, einen Endspurt zu starten. Aber die Stoy ist nach wie vor ein Genuss. Ab jetzt ist jede Szene eine Lieblingsszene. 🙂

Wordcount heute: 2.873 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 70.772 Wörter

Lieblingsstelle:
Mit einem Knurren pfefferte er den Block auf den säuberlich aufgeräumten Tisch. Ein aufgeräumter Tisch war immer ein schlechtes Zeichen. Wenn er die Farben dem Ton nach aufreihte und die unzähligen Skizzenbücher ordentlich stapelte, hieß das, dass ihm nicht einfiel.
Leise seufzend trat er an das Ölbild heran. Es sah immer noch toll aus. Viel zu schön, um es mit einem mittelmäßigen Tattoo zu verschandeln. Joshs Finger strichen über den nackten, gemalten Rücken und zogen die Konturen der Taille nach. Kalte Farbe. Ganz anders als der echte Rücken. Der war warm, fest und nachgiebig an den richtigen Stellen. Nun, vermutlich befummelte Torben diesen Rücken gerade mit seinen Opa-Pranken.

Sex und Drama

Heute konnte ich ein paar Szenen schreiben, auf die ich mich schon die ganze Zeit freue. Sex und Drama und Tränen und Leid … Okay, so viel Spaß habe ich gar nicht an Leid. Aber wenn dann doch alles gut wird … 🙂

Wordcount heute: 3.159 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 67.899 Wörter

Lieblingsstelle:
Drei Minuten später standen sie in Joshs Zimmer und Lucien zog sein Shirt aus. Verschlungene Muskeln unter winterblasser Haut kamen zum Vorschein und Josh schluckte. Blass zu sein stand Lucien genau so gut wie sonnengebräunt.
»Das ist okay, oder?« Lucien kratzte seinen Nasenrücken. »Nachher ziehe ich mich ja auch aus. Das ist viel realistischer.«
»Hmjawas? Ja.« Josh riss sich mit Mühe von der schmalen Rille los, die sich senkrecht durch Luciens Bauch zog und erst am Nabel endete. Obwohl … Musste er das? Störte es Lucien überhaupt? Mit hämmerndem Herzen machte Josh einen Schritt auf ihn zu. Er konnte kaum atmen. Seine Hand glitt wie von selbst vor und legte sich auf Luciens Brust. Warmes Pochen drang in seine Fingerspitzen.

Etwas besser?

Okay, ich habe einenTrick gefunden, um ein wenig mehr zu schaffen: Morgens erst mal eine Stunde schreiben, bevor ich ins Büro gehe, wo die ganze Arbeit wartet. Wirkt Wunder. Und ich habe abends auch noch etwas hingekriegt. Was außerdem motiviert: Jetzt geht es mit den Erotikszenen los. Nach nur 60.000 Wörtern Vorbereitung. Warum ausgerechnet diese Story so viel Raum braucht, ist mir schleierhaft. Vielleicht will ich Ebernau einfach nicht loslassen. Es ist so schön da. 🙂

Wordcount heute: 2.033 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 61.937 Wörter

Lieblingsstelle:
Er tat es schon wieder. Er log und flunkerte und … Ehrlich war er auch nicht. Lucien hasste sich dafür. Und es war auch noch Josh, den er belog. Sein bester Freund. Was für ein erbärmlicher Mistkerl musste man sein, um seinen besten Freund zu belügen, nur um … um ein paar Minuten länger im Paradies zu verweilen?
»Hörst du sie noch?«, flüsterte Josh und kraulte Luciens Nacken. Sie lagen dicht aneinandergeschmiegt auf Luciens Bett. Im Dunkel, so, wie sie es seit Sonntag jeden Nachmittag taten. Lucien schmiegte seine Stirn gegen Joshs Brust und labte sich an dem vertrauten, wunderbaren Geruch. Dem verbotenen Geruch. Der unwiderstehlichen Wärme, die durch den fadenscheinigen Pullover drang.

Ablenkungen, Ablenkungen

Zwei andere Aufträge sorgen gerade dafür, dass ich nicht viel zum Schreiben komme. Mal schauen, wie das morgen aussieht. Es ist der letzte Nano-Tag und ich habe fast 10.000 Wörter mehr als ich müsste. Vielleicht kann das Buch auch später herauskommen. Solange es vor dem 20. ist … Aber wenn Amazon dann hakt (kommt ab und zu vor), hätte ich wieder eine Zu-knapp-an-Heiligabend-Veröffentlichung. Mal schauen. Ab jetzt kommen jedenfalls nur noch Lieblingsszenen. 🙂 Wie eigentlich die ganze Zeit. Nur die letzten beiden Kapitel waren etwas schwieriger. Da musste Lucien sich seiner Vergangenheit stellen und sowas ist nie leicht. Auch nicht, wenn man es schreibt.
Übrigens habe ich jetzt fast 60.000 Wörter. Bei der Wortzahl sind die anderen Paare sich längst glücklich in die Arme gefallen. Josh dagegen eiert immer noch rum. Ich schätze, er braucht noch 10.000 mehr. Mindestens.

Wordcount heute: 1.204 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 59.530 Wörter

Lieblingsstelle:
»Oh. Ich mag Pizza«, war alles, was Josh einfiel. Sie würden sich gleich küssen. Der Gedanke wirbelte in seinem Kopf hin und her, prallte von den Schädelwänden ab und löschte alles andere aus. Küssen. Lucien und er. Kein Grund, nervös zu sein, immerhin war das Joshs eigene Idee gewesen. Es war schließlich der einzige Weg, noch vor dem zweiten Date mit Torben herauszufinden, ob das Problem erledigt war.

Messe überlebt, Nano gewonnen

Und das Buch geht auch gut voran. Und meine Facebook-Seite hat schon 500 Likes! Einziger Wermutstropfen: Mit der Anfang Dezember-Veröffentlichung von „Josh“ wird’s nichts. Frühestens der 15., allerdings sollte ich später auch nicht veröffentlichen, weil ich sonst dem Heiligabend ins Gehege komme. Mal sehen.
Die Messe war laut, trubelig und wunderschön und ich kann all die Eindrücke immer noch kaum in Worte fassen. Fotos folgen irgendwann. Auf jeden Fall hatten wir einen wunderschönen Stand, viel Spaß und die besten Leser der Welt sind vorbeigekommen, um uns mit Keksen und Pralinen zu füttern.
Und im Zug kann ich immer noch am besten schreiben. 🙂

Wordcount heute: 1.266 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 57.308 Wörter

Lieblingsstelle:
Er kam sich wie ein Vollidiot vor. »Sorry.« War das alles eine Schnapsidee gewesen? Hatte er je andere Ideen als Schnapsideen? Warum hatte er den armen Lucien mit reinziehen müssen?
Der arme Lucien rammte seinen Zeigefinger auf den Knopf und hielt ihn gedrückt. Klingeln schallte aus dem Flur zu ihnen hinüber. Lange. Als er endlich losließ, war Fluchen hinzugekommen.
Nichts geschah. Lucien klingelte wieder. Schließlich sprang er die Treppenstufen hinunter, hob einen leeren Joghurtbecher vom Boden und feuerte ihn gegen das Fenster im ersten Stock.
»Mach auf, du Feigling«, brüllte er. Sein Gesicht war eine wütende Fratze. »Ich weiß, dass du da bist.«
Josh starrte ihn an.
»Justin, du Stück Scheiße! Mach auf!« Luciens Stimme hallte von den Häuserwänden wieder. »Schieb deinen hässlichen Arsch auf die Straße oder ich schmeiß dein Fenster ein!«
»Lucien …«, begann Josh, als sie ein Summen hörten. Die Tür.

Zwei Nullrunden und eine Zugfahrt

„Schneestürmchen und Glühweinwürmchen“ kam gestern heraus und ging sofort durch die Decke. Nummer Eins in Gay Romance und Top 50 insgesamt! Ich bin sehr, sehr stolz auf uns. 🙂 Und morgen, auf der BuchBerlin, werde ich endlich den Print in den Händen halten. Und mir Autogramme von meinen Mit-Autorinnen holen!

Zwei Tage lang habe ich leider gar nichts geschrieben, weil ein größerer Illu-Auftrag fertig werden musste. Ist er jetzt auch, größtenteils. Dafür habe ich gestern im Zug nach Berlin viel geschafft. Sie haben sich endlich geküsst! Und nun geht das Drama weiter, wobei, so dramatisch ist das alles gar nicht. Das ist eine gemütliche Geschichte. 🙂

Wordcount heute: 3.809 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 45.036 Wörter

Lieblingsstelle:
Weich
, dachte er. Gut. Heiße Lippen knabberten und zupften an seinen, so vorsichtig, so drängend, dass ihm schwindlig wurde. Schließlich kapierte er, dass er ihnen entgegenkommen musste, wenn er mehr wollte. Er lehnte sich in den Kuss, presste seinen Mund auf Luciens und öffnete beide ein wenig weiter. Da war sie. Eine nasse Spitze, die seine Unterlippe streifte. Schauer rannen durch seine Bauchgegend.
Dann war es wieder vorbei. Schwer atmend zog Lucien sich zurück. Er wandte sich ab, drehte sich um, sah Josh an und gleich darauf zu Boden.
»Worum machst du dir Sorgen, du Vollidiot?«, platzte Josh heraus. »Du küsst super!«

Es geht looos!!!

40.000 Wörter, 24 Kapitel und … der erste Kuss bahnt sich endlich an. Den hab ich mir allerdings bis morgen aufgehoben, um motiviert zu bleiben. Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist (okay, in Wahrheit musste ich los, bevor Aldi zumacht).

Wordcount heute: 5.269 Wörter
Wordcount „Josh“ insgesamt: 41.226 Wörter

Lieblingsstelle:
»So.« Josh setzte sich vor ihn und schenkte ihm sein bestes Lausbubengrinsen. »Stell dir vor, ich bin Torben und wir sind auf einem Date. Was sagst du?«
Nervosität krallte sich in Luciens Körper, kaum, dass Josh es ausgesprochen hatte. Wie albern. Trotzdem war sein Kopf wie leergefegt. Was sollte er sagen?
»Also.« Er knetete die Hände zwischen den Knien. »Torben.«
»Holst du dir gerade einen runter?«, fragte Josh neugierig.
»Was?!«
»Du bewegst deine Hände unter der Tischplatte«, sagte Josh vorwurfsvoll. »Was soll Torben denn da denken?«
»Dass ich …« Lucien knurrte leise und legte die Hände auf den Tisch. »Das wird er nicht denken.«
»Wer weiß?« Josh wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht hat Torben eine schmutzige Fantasie.«
»Hat er nicht!«
»Woher willst du das wissen?«
»Er arbeitet bei einer Versicherung. Der hat gar keine Fantasie.«