Sexy Kurven

Ich wollte doch von der interessanten Verkaufskurve von „Goldsplitter“ erzählen. Also, es ist so: Man bringt ein neues ebook heraus. Normalerweise verkauft man davon in den ersten Tagen die meisten Bücher und zwar deutlich. In denen geht ungefähr so viel weg wie im Rest des Monats. Das sah bei „Sonnengeküsst“ zum Beispiel so aus:

screenshots-kurven_sonnengekuesstBei „Ehebrecher“ das gleiche Schema. Hier sieht man auch schön, wie die Kurve gegen Ende abflacht und dann so vor sich hindümpelt. Nicht, dass das schlimm wäre- mehrere „Dümpelbücher“ bringen ein nettes, stetiges Einkommen. Mit 10-20 von der Sorte könnte ich all meine Ausgaben decken … solange ich weiter neue schreibe, die den Verkauf der alten befeuern bzw. konstant halten.

screenshots-kurven_ehebrecherUnd so sieht die Kurve bei „Goldsplitter“ aus:

screenshots-kurven_goldsplitterNichts mit rasantem Anstieg und langsamem Absinken. Sondern, äh, dümpeln auf hohem Niveau. Ich vermute, weil „Lesbenromantik“ nicht so umkämpft ist wie (urks) „Romantische Literatur für Homosexuelle“, bleiben die Bücher länger sichtbar. „Goldsplitter“ war tatsächlich lange die Nummer Eins in der Kategorie, viel länger als meine Gay Romances. Insgesamt habe ich im September dreimal soviel „Sonnengeküsst“ wie „Goldsplitter“ verkauft, aber … diese verlängerte Sichtbarkeit ist etwas, das ich im Auge behalten sollte. Frag mich, wie ein längerer Roman mit einem weiblichen Liebespaar laufen würde. Und ich frage mich, wie es in den nächsten Monaten mit „Goldsplitter“ weitergeht … hm, hm. Interessant
Interessant für wen? Keine Ahnung. Vermutlich Leute wie mich, die Statistiken  lieben. Mmmh … Statistiken! 🙂

Was ich noch dazu sagen sollte: Die vertikalen Einheiten bei den Graphen sind NICHT gleich. Bei „Goldsplitter“ sind die Zahlen insgesamt niedriger.

*** Update***

Den Post habe ich schon vor einer Weile geschrieben, wie man am Datum der Kurven sieht. Ich wollte erst schauen, wie sich alles entwickelt. Und es ist ungefähr so gekommen, wie ich es mir gedacht habe: „Goldsplitter“ hat im Folgemonat (Oktober) mehr verkauft als „Sonnengeküsst“. Nicht wahnsinnig viel, aber es hatte auch zwei Hindernisse mehr zu überwinden:

  1. Es handelt sich um eine Kurzgeschichte. Die verkaufen sich schlechter als ganze Romane
  2. Es ist meine einzige lesbische Romanze. Im Oktober habe ich „Sexy Versager“ veröffentlicht, das die Verkäufe aller anderen Gay Romances nochmal gepusht hat. Und trotzdem hatte „Goldsplitter“ mehr Verkäufe als „Sonnengeküsst“

Schlaue Schlussfolgerung: „Lesbenromantik“ verkauft sich langsamer, aber stetiger, und scheint sich finanziell zu lohnen. Sofern man ein unterhaltsames Buch schreibt, natürlich. Ich sage jetzt bewusst nicht „gut“, da das immer auch Geschmackssache ist. Und weil ich zufällig nicht nur vorhabe, mehr davon zu schreiben, sondern auch noch jemanden kenne, der just in diesem Monat eine lesbische Monsterhunter-Romanze schreibt (wie cool ist das bitte?), stimmt mich dieser Umstand sehr fröhlich.

Dieser Artikel kommt übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis.
Zitat: „Gay Romance glänzt durch stabile und wertige Preise; doch die reine Verkaufsmenge und des Engagement der Leser sind eher niedrig. Wer sich hier einen Namen macht, kann durchaus auf dauerhafte Einkünfte bauen – doch der ganz große Durchbruch ist sehr unwahrscheinlich. Dasselbe gilt für „Lesbenromantik“: nicht sehr viele, dafür aber zahlungswillige Leser warten hier auf neue Bücher.“

Aber jetzt das Übliche für die Nicht-Selfpublisher und alle, denen von Statistiken nicht warm ums Herz wird:

Heutiger Wordcount: 4.323 Wörter
Wordcount »Tiefgefroren« (Arbeitstitel) insgesamt: 15.364 Wörter

Oh, Moment, das ist eine Statistik … äh, aber das hier nicht!

Lieblingsstelle heute:
»Aber du weißt nicht …« Nils packte Henrys Jackenkragen noch fester und kam näher. Er spürte Henrys Atem im Gesicht. Und er roch ihn und irgendwie … roch dieser Henry wie ein Weihnachtsmarkt. Lecker. Nach Zimt und Glühwein und Kaminfeuer … Wohlig warm halt. So, wie er aussah. So, wie er überhaupt  nicht war. »Du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast.«
»Mit Nilsi, dem cholerischen Muttersöhnchen?«
Nils näherte sich, auch wenn das bedeutete, dass ihre Beine sich berührten und Henrys Duft seinen Magen zum Flattern brachte.
»Ich bin kein Muttersöhnchen«, flüsterte er. »Ich … will dich nur schützen. Vor mir.«

Jou, endlich entwickelt sich mal was zwischen den beiden Spätzündern. 🙂 Das Buch ist schon zu einem Viertel rum, Jungs!

Schreibtagebuch: Nummer Eins!

Hehe, heute morgen war Ehebrecher die Nummer Eins auf der Gay Romance-Bestsellerliste! Okay, auf deutsch heißt das „Romantische Literatur für Homosexuelle“, aber … Gay Romance klingt  besser. Und kürzer.
Freu mich richtig. 🙂 So eine schöne Belohnung, nach all der harten Arbeit. Und natürlich hab ich einen Screenshot zum Angeben gemacht:

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Heute musste ich eine Szene umschreiben, weil die S-Bahn-Station Hammerbrook falsch gebaut wurde … oder ich mich falsch erinnert habe. Auslegungssache, würde ich sagen. Außerdem habe ich mich mit (grusel) Kommasetzung beschäftigt.
UND einer meiner Lieblingscomics hat endlich neue Seiten bekommen: Band vs. Band (von Kathleen Jacques), der absolut lustigste und niedlichste (aber nie kitschigste) Comic der Welt! Es geht um zwei rivalisierende Bands, deren Frontfrauen sich voll nicht ausstehen können, aber sich irgendwie doch verlieben, aber sich das nicht eingestehen können und … Wenn ich über Sachen schreibe, die ich wirklich, wirklich liebe, verliere ich leider die Fähigkeit, mich vernünftig auszudrücken. *hüstel*

Heutiger Wordcount: 3084 Wörter in ca. 3 Stunden
Wordcount »Schlecht im Bett« (Arbeitstitel) insgesamt: 26.332 Wörter

Lieblingsstelle heute:
Ein … Gefühl ploppte in Bens Bauch auf. Seine Lippen kribbelten, als würde sein Körper versuchen, sich an etwas zu erinnern. Aber der Kuss war viel zu schnell vorbei.

Schreibtagebuch: Müde …

Am Tag nach einer Buchveröffentlichung bin ich immer fertig. Die ganze Aufregung im Vorfeld, das Verkäufe checken, die Angst, dass ich irgendeinen Fehler gemacht habe (falsches Manuskript hochgeladen oder so … huah). Und ich bin spät ins Bett gekommen, also werde ich heute nicht mehr viel tun. Nur noch die Druckdaten für Ehebrecher fertig machen und dann heimgehen.
Gestern kam übrigens das Taschenbuch von Funkenflut an. Ziiiiemlich hübsch, wenn ich das so sagen darf. 🙂 Ich weiß jetzt also, dass der Drucker gute Qualität liefert und  kann mich daran machen, die restlichen E-Books als Taschenbücher herauszubringen. Ab nächstem Monat möchte ich E-Book und Taschenbuch gleichzeitig herausbringen, so richtig professionell.

Heutiger Wordcount: 3224 Wörter in ca. 3,5 Stunden
Wordcount »Schlecht im Bett« (Arbeitstitel) insgesamt: 17.911 Wörter

Lieblingsstelle heute:
Natürlich kam Nora in die Küche, während er mit Marek dasaß und Marmeladenbrote mampfte. Zum Glück mochte Marek Marmeladenbrote, Ben hatte nämlich nichts anderes da.
»Benni«, begann sie, aber er erfuhr nie, was sie danach sagen wollte, denn als sie Marek sah, stieß sie einen spitzen Schrei aus.

Neues Buch: Ehebrecher + Erstes Kapitel

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Seit heute ist mein neuer Roman auf amazon verfügbar. »Ehebrecher« erzählt die stürmische Romanze von Gabriel und Vin, die eigentlich etwas ganz anderes vorhatten: zu verhindern, dass ihre Geschwister heiraten.
Wie man am Cover erkennt, sind die Protagonisten diesmal älter, aber nicht unbedingt klüger.

Kapitel 1:  Date

Selina schmetterte die Tür gegen die Wand.
»Wo ist meine beschissene Strumpfhose? Ich muss scheiße noch mal gut aussehen heute!«
Ihre Schritte lärmten durch die winzige Mietwohnung. Vin und Omi sahen ihr verwundert nach, als sie an ihnen vorbeistampfte. Ein Löffel Babybrei klatschte auf Omis hellblaue Bettdecke statt in ihren Mund, aber Vin achtete nicht darauf.
»Du musst was?«, fragte er seine kleine Schwester. Die riss Schublade um Schublade ihres gemeinsamen Kleiderschranks auf und fluchte vor sich hin. »Seit wann musst du denn gut aussehen? Das ist dir doch sonst wumpe.«
»Hast du wen kennengelernt?« Omis Äuglein begannen zu funkeln. Ein Hauch Rosa erschien auf ihren eingefallenen Wangen und sie richtete sich sogar ein Stückchen von ihrem Krankenlager auf.
»Ja, hab ich«, brummte Selina, ohne das Wühlen in den Schubladen zu unterbrechen. Als wäre das nicht die Neuigkeit des … Jahrzehnts, mindestens. Als hätte sie sich in zweiundzwanzig (!) Jahren je für einen Mann interessiert.
»Einen … Kerl?«, vergewisserte sich Vin. Selina drehte sich zu ihm um und schob ihre Brille höher.
»Ja, was denn sonst?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Vin blinzelte. Sie sah aus wie immer. Brauner Kapuzenpulli, billiges Brillengestell, zottelige, dunkelblonde Haare, die sie zu einem verrutschten Dutt gebunden hatte. Und graue Augen, aus denen ihr messerscharfer Verstand strahlte wie aus einem Leuchtturm. Vin stand auf.
»Wer ist es?«, fragte er mit seiner bedrohlichsten Stimme. Selina grunzte verächtlich.
»Kein Grund, den Beschützer raushängen zu lassen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Wer ist es?« Er vertiefte den Bass um mindestens eine Stimmlage.
»Ja, wer ist es?«, piepste Omi und hatte wie immer mehr Erfolg als Vin, der einen halben Meter größer war als sie.
»Das werdet ihr nicht glauben.« Selina grinste. »Jemand von meiner Arbeit. Und ratet mal, wer.«
»Ein junger, heißer Kabelträger?« Vin legte den Kopf schief.
»Dein Chef?«, fragte Omi zögernd. »Aber du hast doch gesagt, der ist ein ekelhafter Drecksack. Und du machst seinen ganzen Job für ihn …«
»Nein. Weiter oben. Noch viel weiter.« Selinas Grinsen wirkte fast wahnsinnig. »Bastian Schaller persönlich!«
»Wer?«, fragte Vin in dem Moment, als Omi »Der Schaller?« kreischte.
Er wandte sich zu ihr um. Sie saß aufrechter im Bett, als sie es seit Wochen geschafft hatte, und in ihren Augen glitzerten Sterne.
»Alter, wer zu Hölle ist dieser Schaller?« Er beugte seinen kahlen Schädel zu Omis kahlem Schädel hinunter. »Und woher kennst du den?«
Nun war er sich sicher: Omi wurde rot. Ließ sie gesünder aussehen, als sie seit Beginn der ersten Chemo gewirkt hatte.
»Na, der ist doch der Moderator von »Hallo Schunkelfreunde«. Der hübsche blonde Bub.«
»Der schleimige Typ mit dem Dauergrinsen?« Vin sah Selina an, die bereits wieder in einer Schublade wühlte. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Warum denn nicht?«, fragte Omi. »Der ist doch knackig.«
»Und reich«, rief Selina aus der Tiefe des Schranks. »Aha!« Triumphierend hielt sie eine hauchzarte schwarze Strumpfhose in die Höhe.
»Schleimig ist der, ohne Ende.« Vin sah die beiden Frauen an, als hätten sie den Verstand verloren. Sie gaben den Blick ebenso zurück.
»Hatten wir nicht gesagt, dass du bei Männern nicht mehr mitreden darfst?«, fragte Omi und sank in die Kissen. Frechheit, die Alte schaute, als wäre er zwölf oder so. »Dein Geschmack ist viel zu schlecht.«
»Genau.« Selina schälte sich aus ihrem Kapuzenpulli. »Ich sag nur Markus.«
Vin verspürte einen Stich, als er den Namen seines Exfreundes hörte. Mitten in der Brust, da, wo er ihn so lange getragen hatte. Vor zwei Jahren hatte Markus sich davongemacht. Kaum, dass es mit Omis Krebserkrankung losgegangen war, hatte er Vin mitgeteilt, dass er nur mit jemandem zusammen sein konnte, der ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte.
»Markus war ein dummes Arschloch.« Omi tätschelte Vins Arm.
»Ein absoluter Fiesling«, bekräftigte Selina.
»Ein Superbösewicht«, murmelte Vin.
Leider stand er auf Superbösewichte. Dass er schwul war, hatte er schon mit sieben Jahren kapiert. In dem Moment, in dem in seiner Lieblings-Trickfilmserie »Space Force Horse« der Bösewicht aufgetaucht war. Dr. Evilhelm Bösbart. Geißel der Galaxis, Cyborg und, zumindest in Vins Augen, der schönste Mann, den er je gesehen hatte.
Wie festgeklebt hatte er vor dem Bildschirm gehockt, um keine Minute zu verpassen, in der Dr. Bösbart diabolisch lachte, sich diabolisch in seinem Sessel drehte und diabolisch zu Abend aß. Er hatte Gänsehaut gehabt, wenn Dr. Bösbart seine unnötig komplizierten Pläne erklärte. Seine Omi hatte es belustigt verfolgt. Als er mit elf eine ewig lange Liste erstellt hatte, in der er Filme danach sortierte, wie hübsch der Böse war, hatte sie es auch noch komisch gefunden.
Aber als er mit sechzehn seinen ersten Freund mit nach Hause gebracht hatte, der prompt Omis Quittenlikör klaute und dann auf Nimmerwiedersehen verschwand? Da hatte sie begonnen, sich Sorgen zu machen.
Jetzt, im reifen Alter von 24 Jahren, sah Vin selbst ein, dass er ein Problem hatte. Es waren ja nicht nur Markus und Ronny, der Quittenlikördieb, gewesen. Sondern auch Mike, der Drogenkurier, Bernd aus der Motorradgang, Anselm, der ihn benutzt hatte, um auf Vins Arbeit im Krankenhaus an hochdosiertes Nasenspray zu kommen … na ja, eindeutig zu viele jedenfalls.
Seit zwei Jahren hatte er nur noch anonyme One Night Stands mit möglichst harmlos wirkenden Kerlen. Er warf einen Blick auf seine Schwester, die nie Probleme mit Männern gehabt hatte. Sie war einfach Single geblieben. Immer. Vin war sich fast sicher, dass sie noch jungfräulich war. Also was sollte der Scheiß mit diesem Volksmusikfuzzi jetzt?
»Bist du verliebt in diesen Volksmusikfuzzi?«, fragte er. Selina starrte ihn an, dann lachte sie laut auf.
»Scheiße, nein!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Mittlerweile war sie nackt bis auf die schlichte weiße Unterwäsche. »Aber er hat Geld. Richtig viel Geld.«
Vin fühlte sich, als hätte er zehn Liter Eiswasser gesoffen. Was?
»Na und?«
»Na, das ist meine Chance!«, rief sie. »Mein Ticket raus aus dem Dreck hier. Und wenn ich es richtig anfange, auch für euch.«
Der Dreck hier war die mickrige Zweizimmerwohnung, in der sie hausten. So voll gestellt mit Krempel, dass die Zimmer noch winziger wirkten. Ein Zimmer für Omi, eins für die Geschwister. Wenn Vin Männerbesuch hatte, schlief Selina auf einer Luftmatratze zu Füßen von Omis Krankenbett, wozu sie den Esstisch hochklappen und an die Wand lehnen musste.
Schön war es echt nicht. Die Tapeten waren vergilbt, der Teppichboden abgetreten und löchrig und die Fenster so undicht, dass ständig ein leichter Lufthauch ging. Ungünstig für Omi. Sie musterte Selina, nun nicht mehr so begeistert.
»Du magst das Sahneschnittchen gar nicht?« Ihr kahler Schädel neigte sich.
Selina zuckte mit den Schultern.
»Du willst nur was mit ihm anfangen, weil er Geld hat?« Vin sprang auf. »Was ist das denn für eine Schnapsidee? Was ist mit Jura zu Ende studieren und selber Kohle machen?«
»Tu ich doch. Und es dauert noch ewig.« Selina schob die Unterlippe vor. »Ein Plan B kann nicht schaden, oder?«
»Doch, kann er.« Vin packte ihre schmalen Schultern. Sie wirkten so zerbrechlich in seinen Pranken. »Du kannst doch nicht einfach … Was hast du vor? Mit ihm in die Kiste hüpfen, seine Geliebte werden und dann hält er dich aus?«
»Viel besser.« Ihr Blick war hart. »Ich werde seine Frau.«
»Waswiewas? Hat er dir schon ’nen Antrag gemacht?«
»Natürlich nicht.« Sie nahm seine Handgelenke und entfernte seine Finger von ihren Schultern. »Er hat nur gefragt, ob er mich zum Essen einladen darf.«
»Und wieso verdammt denkst du, dass er dich heiraten will?«
»Das wird er.« Ihre Augen glitzerten eiskalt. Einen Moment lang machte Vin sich mehr Sorgen um diesen armen Volksmusikfuzzi als um seine liebe kleine Schwester. Die gerade die schwarze Strumpfhose über ihre hübschen Beine rollte. »Ich werde ihn verführen. Sowas von, das hast du noch nicht gesehen.«
»Was?« Vin lachte auf. »Was verstehst du denn davon, du große Verführerin? Du hattest ja noch nie einen Freund.«
»Ich krieg raus, wie das geht. Verlass dich drauf. Ich wette, ich kann das besser als du mit deinen schwerstkriminellen Stechern.«
»Einen Teufel kannst du! Omi, sag was! Du willst doch nicht, dass sie ihre Zukunft wegwirft für so ein Scheiß-Hirngespinst.«
Omi sah sich im Zimmer um. Sie betrachtete die verblichene Tapete und die schiefen Spanholzmöbel, die wirkten, als würden sie ihnen jeden Moment auf den Kopf krachen.
»Die Strumpfhose hat ein Loch«, sagte sie. »Da, an der Wade.«
»Was? Verdammt!« Selina blickte auf die münzgroße Stelle, die ihre helle Haut freiließ. »Das war die Einzige, die ich noch hatte.«
»Nimm Schuhspray«, sagte Omi. »Die schwarze Dose in der obersten Schublade im Flur. Guck nicht so, das funktioniert. Und Männer stehen auf den Geruch. Erinnert sie an Motorräder oder so.«
»Super Idee! Danke, Omi!«
Wie kam Vin eigentlich zu dem Ruf, dass er nichts von Männern verstand? Die beiden waren doch viel schlimmer und außerdem war er selbst ein Kerl …
Er zwang sich, tief durchzuatmen. Ruhig zu bleiben. Als ob Selina es schaffen würde, diesen Schaller abzuschleppen. Omi hatte Vin einmal gezwungen, diese beknackte Sendung anzugucken. Diesem schleimigen Blondschopf hatten die Weiber zu Füßen gelegen. Die meisten von denen waren im Rentenalter gewesen, aber trotzdem … Als ob sein Mauerblümchen von einer Schwester diesen Schleimer überreden könnte, sie zu heiraten. Auf keinsten.
Eine Viertelstunde später hatte Selina sich irgendwie in einen Filmstar verwandelt: kurzes, schwarzes Kleid, lange Beine in geschnürten High Heels, seidige Haare und ein feuchtglänzender Erdbeermund. Vin riss die Augen auf. Omi pfiff ihr hinterher, als sie aus der Tür verschwand, viel zu flink, als dass Vin sie hätte aufhalten können.
»Kacke«, murmelte er, als Selinas Schritte im Flur verklangen. »Was … was macht sie denn?«
Er ließ sich schwerfällig auf Omis Bett sinken und starrte auf die Stelle, an der seine urplötzlich erblühte Schwester eben noch gestanden hatte.
»Ach, Kurzer.« Omis faltiges Händchen strich über seine baumstammdicken, tätowierten Arme. »Du weißt doch, wie sie ist, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat. Dieser Schaller wird die Nacht seines Lebens haben. Und wenn’s uns allen was bringt … Möglich wäre es zumindest.«
»Aber das kannst du doch nicht gut finden, Omi. Dass sie einfach so … dass sie was mit einem anfängt, den sie nicht mal liebt.«
»Liebe ist nicht alles, Junge.« Ihre Stimme klang müde. »War sie nie und ist sie auch heute nicht, egal, was die im Fernsehen sagen.«
»Doch, ist sie.« Vin war selbst klar, dass er wie ein trotziger kleiner Junge klang. Ein trotziger kleiner Junge in einem muskelbepackten Zwei-Meter-Körper mit einem Gesicht, das Leute angsterfüllt die Straßenseite wechseln ließ. Machte den Job als Krankenpfleger nicht leichter, wenn die Patienten sich vor einem fürchteten. Vin hatte sich angewöhnt, viel zu lächeln und laufend Witze zu reißen. Meistens half es.
»Du bist halt zu romantisch, Kurzer. Deshalb fällst du auch immer auf diese Spacken rein.«
»Nicht mehr.« Er räusperte sich. »Seit Markus nicht mehr. Kann aber nicht sagen, dass ich mehr Spaß hab als früher.«
»Ja, die letzten Kerle, die du hier angeschleppt hast, waren ziemliche Waschlappen. Waren die … devot?«
Vin zuckte zusammen. Bewegte sich das Gespräch gerade in die Richtung, dass er mit seiner Omi über Sex sprechen würde? Bitte nicht.
»Ne, äh, ja, ich glaub schon. Keine Ahnung. Ist halt so. Irgendwie ziehe ich die an. Bin eben so ein Brocken, dass die zu mir kommen, wenn sie mal richtig … äh …« Richtungswechsel!, schrie sein Gehirn. »Also … ich glaub jedenfalls nicht, dass das mit Selina und Schlagerboy was wird.«
»Ach, aber das wär doch schön. Ich würd mich freuen, wenn sie endlich die Liebe in ihr Herz lässt.«
»Ist das etwa so ein »Hallo Schunkelfreunde«-Lied? Lass die Liebe in dein Herz?«, knurrte er.
»Ne, das ist von der Karin Schaller.« Omi seufzte. »Als ich die Liebe in mein Herz ließ, da erblühten alle Rosen. So ein wundervoller Text. Viel zu früh von uns gegangen, die Karin.«
»Du redest immer, als hättest du sie gekannt.« Vin lächelte. »Dabei … Moment mal, Schaller? Ist die mit Selinas Date verwandt?«
»Ja klar, der Bastian ist doch ihr Sohn. Wusstest du das nicht?«
»Ne, woher denn?«
»Na, aus der Presse. Und im Fernsehen kam das auch, damals, als sie gestorben ist.«
»Das hat mich ’nen Scheiß interessiert damals. Wie alt war ich da? Vierzehn?« Und komplett damit beschäftigt, seinen ersten Kuss zu verarbeiten, während seine Kumpel damit rumgeprotzt hatten, wie viele Weiber sie schon flachgelegt hatten. Na ja, die meisten dieser Storys hatten sich eh als dreckige Lügen entpuppt.
»Zehntausend Rosen hat ihr Mann auf ihr Grab gelegt. Ich hab die Bilder in der Frauenpostille gesehen. Der muss sie sehr geliebt haben. Und ’nen Springbrunnen hat er ihr gebaut.«
»Was, auf’s Grab?«
»Ich sag doch, die haben Kohle.« Omis Blick wanderte in die Ferne. »Selina hat nicht unrecht, weißt du? Hätten wir damals mehr Geld gehabt, hättest du die Schule weiter machen können. Dann hättest du studieren können. Ein richtiger Arzt könntest du sein, nicht nur ein Pfleger.«
»Ich bin gern Pfleger, Omi.«
»Ja, aber verdienen tätest du mehr als Arzt. Und ’ne eigene Wohnung hättest du auch, nicht nur ein halbes Zimmer hier.«
»Das ist mir scheißegal«, brummte er. Das Einzige, das ihn wirklich störte, war, dass sie sich keine Pflegekraft für Omi leisten konnten. Selina und er teilten sich die Last und trotzdem mussten sie sie noch viel zu oft allein lassen. Oft fürchtete er, während er im Fitnessstudio war, dass sie gerade aus ihrem Bett gefallen war, Durst hatte und nicht aufstehen konnte, oder … Er schüttelte den Kopf.
»Ich muss gleich zur Nachtschicht, Omi. Brauchst du noch was?«
»Ich hab alles, Junge. Amüsier dich gut.«
»Auf der Arbeit?«
»Kannst ja danach in diese Bar.« Sie zwinkerte ihm mit ihrem wimpernlosen Lid zu. »Du weißt schon, wo du andere junge Männer triffst. Die haben früh morgens noch auf, oder? Bring ruhig wen mit, ich hör eh nicht mehr viel.«
»Äh, ich überleg’s mir.« Er küsste ihre knochige Stirn. »Und schreib mir ’ne Nachricht, wenn Selina heimkommt.«
»Vielleicht kommt sie ja nicht heim.«
Vin knurrte und stand auf. Es war zu früh, um sich Sorgen zu machen. Wahrscheinlich stellte Selina nach einem Abendessen fest, dass dieser Volksmusikfuzzi so hohl wie langweilig war. Auf keinen Fall würde sie ihr Leben mit so einem verbringen wollen. Und falls doch, würde er das halt verhindern. Egal, wie.

 

… mehr gibt’s wie immer bei „Blick ins Buch“ auf amazon. Mir fiel allerdings auf, dass die Leseprobe dort an einer Stelle endet, an der die beiden sich noch nicht mal kennengelernt haben.  Schade eigentlich. Sobald sie sich erblickt haben, geht es nämlich ziemlich schnell und ziemlich heftig zur Sache.  Nicht, dass das geplant war. Die beiden haben ihren eigenen Kopf. 🙂

Schreib-Neuigkeiten: Das neue Buch (Arbeitstitel „Schlecht im Bett“) hat Fahrt aufgenommen und ist auch nicht mehr ganz so melancholisch. Gut, gut. Fein, fein. Hoffen wir, dass es so weiter geht. Und ja, es geht um zwei Typen, die schlecht im Bett sind. Perfektes Material für einen Liebesroman, finde ich.

Heutiger Wordcount: 3.641 Wörter in ca. 4 Stunden
Wordcount »Schlecht im Bett« (Arbeitstitel) insgesamt: 14.687 Wörter

Lieblingsstelle heute:
»Dein Kumpel ist schon da«, sagte sie mit ihrer überraschend klangvollen Stimme und deutete hinter sich.
»Was? Wer …«
Marek. Was machte der hier? So, wie er sich an dem halb leeren Bierkrug festhielt, lautete die Antwort: Saufen.